Deutsche Krankenhausgründerin über ihr Engagement in Afghanistan

Wir sind medizinische Partei und sonst nichts"

Nein, von den Wahlen in Afghanistan am Donnerstag erwartet sie nichts. Seit Jahren hat Karla Schefter erlebt, wie sich die Situation in dem Land immer weiter verschlechtert hat. Und doch will die 67-jährige gelernte Operationsschwester aus Dortmund weiter zwischen Deutschland und Afghanistan pendeln.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

In Chak-e-Wardak, etwa 65 Kilometer südwestlich von Kabul, gründete sie vor genau 20 Jahren ein 60-Betten-Hospital und fühlt sich dem Land am Hindukusch spätestens seitdem verbunden.

Bis Ende September allerdings wird sie in Dortmund bleiben, Spenden sammeln und Medikamente einkaufen, ehe sie für drei Monate nach Afghanistan zurückkehrt. Allerdings nur nach Kabul, wo sie ihre Mitarbeiter treffen und mit ihnen das Jubiläum ihres Hilfsprojekts feiern will. Nach Chak-e-Wardak selbst hat sie sich schon seit eineinhalb Jahren nicht mehr getraut - zu groß ist die Angst vor der grassierenden Kriminalität, den drohenden Entführungen, denen sie schon einmal um Haaresbreite entkommen ist.

"Unter den Händen gestorben"
Zunächst war Schefter in den 80er Jahren als illegale medizinische Helferin während des sowjetisch-afghanischen Krieges in das Land gegangen. «Anfangs sind mir die Kriegsverletzten unter den Händen gestorben», erinnert sie sich. 1989 - kurz nach Abzug der Sowjets - gründete sie dort das Krankenhaus, das zu 90 Prozent aus Spenden finanziert wird, unter anderem vom katholischen Kindermissionswerk «Die Sternsinger». Bis zu 70.000 Patienten jährlich werden dort mittlerweile behandelt, 70 Prozent Frauen und Kinder.

Fünf Regime-Wechsel hat Schefter erlebt: Selbst unter den Taliban blieb das Krankenhaus mit den mittlerweile zwei Operationssälen, der Röntgenstation, dem Impf- und dem Ausbildungszentrum unangetastet. Vielleicht, weil es das einzige Hospital in einer Provinz mit 500.000 Einwohnern ist, in einem fruchtbaren Tal in 2.400 Meter Höhe gelegen. Wahrscheinlich aber auch, weil sich Schefter und ihre allesamt afghanischen Mitarbeiter jeder politischen Meinungsbekundung enthalten. «Wir sind medizinische Partei und sonst gar nichts», darauf besteht sie.

"Religiöse" und "Extremisten"
«Afghanistan ist seit 30 Jahren nicht mehr zur Ruhe gekommen», nennt die Dortmunderin Gründe für das derzeitige Chaos. Alte Sitten gelten nicht mehr, Wissen ging verloren. Den Begriff der «Taliban», wie er im Westen verwendet wird, hält Schefter für völlig verfehlt. Sie unterscheidet zwischen den Religiösen - «Die sind auf meiner Seite» - und den Extremisten, denen es allein um Macht gehe. Sie seien es, die derzeit den Menschen drohten, ihnen den Finger abzuschneiden, wenn sie zur Wahl gingen. Sie seien es auch, die entgegen jeder afghanischen Tradition selbst die Ältesten entführten, um Druck auf die Dörfer auszuüben.

Einen einfachen Weg ist Schefter nie gegangen: Geprägt hat sie die Flucht aus Ostpreußen und die Außenseiterposition, mit der Flüchtlinge im Nachkriegsdeutschland zu kämpfen hatten. Jahrelang hat sie als OP-Schwester und Schwesternausbilderin in Westfalen gearbeitet. Dann bewarb sie sich auf eine Anzeige, in der eine Krankenschwester für Afghanistan gesucht wurde.

Warnung vor Missionierung
«Natürlich muss ich in Afghanistan viele Kröten schlucken», räumt die Hospitalgründerin ein. Als Frau nicht laut lachen zu dürfen, einem Mann keine Hand zu geben - mit solchen Verhaltensregeln hat sie sich mühsam angefreundet. Auch ein Kopftuch trägt sie, aber keine den ganzen Körper verhüllende Burka. Da habe sie sich selbst gegenüber einem Taliban-Gouverneur standhaft geweigert, berichtet sie stolz.

Dass westliche Hilfe die traditionellen Strukturen ändern könnte, bezweifelt sie. Auch dort, wo die die Radikalen keinen Einfluss hätten, seien die Frauen tief verschleiert und meist ohne Bildungsmöglichkeiten. Vor christlicher Missionierung warnt sie: Das gefährde alle Hilfsprojekte. Sie selber setzt auf persönliches Zeugnis als Christin.

Den Bundeswehr-Einsatz im Land hält sie für richtig: «Würden die Soldaten abziehen, hätten die kriminellen Elemente erreicht, was sie wollten.» Gleichzeitig aber ist sie besorgt, dass das militärische Engagement die humanitäre Hilfe erstickt. Mit Militär alleine sei das Land nie zu befrieden.