Deutsch-japanischer Priester erklärt Faszination für Kirschblüte

"Steht für Endlichkeit und Schönheit"

Die Kirschblüte lockt im Moment viele Touristen nach Bonn. Sie ist ein wichtiges Symbol der Kultur Japans, erklärt der deutsch-japanische Priester Takuro Johannes Shimizu. Auch die japanischen Christen feiern die Kirschblüte.

Autor/in:
Roland Müller
Die Kirschblüte in Bonn steht in voller Pracht. / © Kari Ahlers (shutterstock)
Die Kirschblüte in Bonn steht in voller Pracht. / © Kari Ahlers ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was ist das Faszinierende an der Kirschblüte?

Takuro Johannes Shimizu (Kaplan in Zülpich): Die Kirschbäume blühen nur einige Wochen im Frühjahr, die Pracht der Blüte ist also nur kurze Zeit zu sehen. Die Kirschblüte heißt im Japanischen "Sakura" und ist eine der bedeutendsten kulturellen Symbole Japans. Sie steht nicht nur für die Schönheit und den Beginn des Frühlings, sondern verweist auch auf die Vergänglichkeit allen Lebens. Denn nach einigen Wochen ist die Blüte schon wieder vorbei. 

Kaplan Takuro Johannes Shimizu aus Zülpich. / © Takuro Johannes Shimizu (privat)
Kaplan Takuro Johannes Shimizu aus Zülpich. / © Takuro Johannes Shimizu ( privat )

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat die Kirschblüte in der japanischen Kultur?

Shimizu: Einerseits zeigt die Kirschblüte die Spannung zwischen Leben und Vergehen. Andererseits ist das Betrachten der Blüten – auf Japanisch "Hanami" – mehr als das bloße Anschauen der schönen Kirschblüte. Unter den Bäumen kommen die Menschen mit Familie und Freunden zusammen, sie sitzen dort und essen gemeinsam. Die Kirschblüte ist auch die Erfahrung von Gemeinschaft. Deshalb hat die Kirschblüte neben der spirituellen auch eine soziale Dimension. 

Takuro Johannes Shimizu

"Wir Christen glauben daran, dass das Leben mit dem Tod nicht einfach endet, sondern bei Gott weitergeht."

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Ihnen persönlich die Kirschblüte?

Shimizu: Dadurch, dass ich in Japan geboren bin, verbinde ich mit der Kirschblüte schöne Erinnerungen an meine Kindheit – etwa an Dorffeste, die in dieser Zeit immer gefeiert wurden. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich dort gemeinsam mit meiner Familie gegessen habe und wir mit anderen Menschen zusammengekommen sind. 

Außerdem denke ich bei den Kirschblüten an meine Großmutter, die ich im Frühjahr 2018 in Südjapan besucht habe. Ich wusste, dass ihr das Betrachten der Kirschblüten wichtig war. Deshalb habe ich sie in ihrem Rollstuhl zum nächsten Kirschbaum geschoben. Das war eine unserer letzten Begegnungen.

DOMRADIO.DE: Die Kirschblüte ist ein wichtiges kulturelles Symbol Japans. Lässt sich da auch eine Brücke zum christlichen Glauben schlagen?

Shimizu: Die Kirschblüte steht für Endlichkeit und Schönheit. Wir Christen glauben daran, dass das Leben mit dem Tod nicht einfach endet, sondern bei Gott weitergeht. Das symbolisiert die Kirschblüte sehr gut: zum einen die Vergänglichkeit, zum anderen die Schönheit des Lebens. Das weist auf die Auferstehung Jesu hin, die wir bald beim Osterfest feiern.

Takuro Johannes Shimizu

"Die Symbolik der fallenden Blüten erinnert an das Leiden und Sterben Christi und gibt gleichzeitig Hoffnung auf ein neues Leben."

Die Kirschblüte in der Bonner Altstadt. / © tayaphotolab (shutterstock)
Die Kirschblüte in der Bonner Altstadt. / © tayaphotolab ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie feiern die Christen in Japan die Kirschblüte?

Shimizu: Die japanischen Christen greifen das Kirschblütenfest durchaus auf, besonders in der Fastenzeit und in der Karwoche. Sie feiern in dieser Zeit zum Beispiel Gottesdienste im Freien. Durch Gebete und passende biblische Lesungen deuten sie die Kirschblüte als Symbol des Glaubens. 

Die Kirche in Japan ist eine Minderheit, aber auch die vielen Japaner, die keine Christen sind, zeigen sich offen für die spirituellen Impulse zur Kirschblüte durch die Kirche. 

Die Symbolik der fallenden Blüten erinnert an das Leiden und Sterben Christi und gibt gleichzeitig Hoffnung auf ein neues Leben. Viele Japaner suchen Trost, Sinn und Hoffnung – gerade angesichts von Naturkatastrophen oder persönlichen Krisen.

Das Interview führte Roland Müller.

Kirche in Japan

Das Christentum spielt in Japan nur eine geringe Rolle. Die Vorstellung eines einzigen, allmächtigen Gottes hat nur wenig Übereinstimmung mit den traditionellen religiösen Vorstellungen des Shinto und des Buddhismus. Derzeit bekennt sich weniger als ein Prozent der rund 127 Millionen japanischen Staatsbürger, also maximal eine Million Menschen, zu einer der christlichen Konfessionen. Von den bislang 62 Ministerpräsidenten Japans waren 7 bekennende Christen, zuletzt der Katholik Taro Aso (2008/09).

Die Statue von Francis Xavier in Yamaguchi, Japan / © N.N. (shutterstock)
Die Statue von Francis Xavier in Yamaguchi, Japan / © N.N. ( shutterstock )
Quelle:
DR

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