Deshalb lassen sich Menschen gern im Wald bestatten

Die Angst, dass keiner das Grab pflegt

Immer mehr Menschen lassen sich im Wald bestatten. Warum das so ist, untersucht eine repräsentative Studie und geht den psychologischen Ursachen auf den Grund. Offenbar spielen dabei nicht nur finanzielle Gründe eine Rolle.

Autor/in:
Nina Schmedding
Begräbniswald in der Schweiz / © Magdalena Thiele (KNA)
Begräbniswald in der Schweiz / © Magdalena Thiele ( KNA )

Tot sein – im Sarg begraben auf dem Friedhof, als verstreute Asche im Meer oder in der Urne im Wald am Fuße eines Baumes? Studien zufolge geht der Trend seit Jahren zur Verbrennung – und zu alternativen Bestattungsformen. Besonders die Waldbestattung hat demnach für viele Menschen einen Reiz. Nach einer Forsa-Umfrage der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas im vergangenen Herbst wünschten sich 25 Prozent der Befragten eine Waldbestattung – nur die Urnenbestattung auf einem Friedhof war noch beliebter.

Hauptargument Grabpflege

Das Kölner rheingold Institut hat jetzt im Auftrag des Unternehmens "FriedWald" untersucht, warum der Wald für viele Menschen im Zusammenhang mit dem Tod eine so hohe Anziehungskraft hat. Befragt wurden den Angaben zufolge rund 1.300 Personen ab 18 Jahren in einer repräsentativen Online-Befragung, ergänzt durch eine qualitative Befragung mit Einzelinterviews. Sie waren entweder bereits Kunde des Unternehmens oder interessierten sich für das Thema.

Bestattungswald / © Jasmin Hartmann (KNA)
Bestattungswald / © Jasmin Hartmann ( KNA )

So ist die mitunter belastende Grabpflege für Angehörige für 98 Prozent der Befragten ein Argument gegen den Friedhof. Eine Aussage, die nicht unbedingt nur als vorsorgliche Entlastung der Verwandten zu verstehen sei, erklärt rheingold-Studienleiterin Sabine Loch. Sie besuchte für den qualitativen Teil der Befragung mit Interessenten einen FriedWald.

"Da gab es viele Teilnehmer, die keinen hatten, der für das Grab sorgt. Sie hatten Angst, dass keiner nach ihnen guckt. Nichts ist trauriger, als auf einem Friedhof ein ungepflegtes Grab zu sehen.

Bestattung in der Urne

'Bei einer Waldbestattung kommen wenigstens die Tiere mal vorbei', so der Gedanke vieler Teilnehmer", sagt Loch.

Auch Geld spielt demnach für die meisten Befragten eine Rolle: So gaben 88 Prozent an, sich die Kosten eher leisten zu können als die "klassische" Friedhofs-Bestattung.

Bei einer Waldbestattung wird der Tote verbrannt und dann in einer Urne am Fuße eines Baumes begraben. Oft weist eine Namensplakette an dem Baum auf den dort bestatteten Toten hin. Es gibt keine Blumen, keinen Grabstein, kein ewiges Licht. Dies empfinden 79 Prozent der Befragten als angenehm: Hierarchien glichen sich aus; für Hinterbliebene entfalle der Druck, eine soziale Eingebundenheit des verstorbenen Menschen zu demonstrieren. 33 Prozent kritisierten allerdings, dass durch die natürliche Umgebung die Wege zum Bestattungsbaum für Menschen mit Behinderung nicht immer frei zugänglich seien.

Zwiespältig wird das Thema Nachhaltigkeit betrachtet: Demnach gefiel zwar den allermeisten (93 Prozent) der Gedanke, bei einer Waldbestattung in die Natur und den natürlichen Lebenskreislauf einzugehen – und in diesem Sinne selbst "nachhaltig" zu bleiben. Die Menschen scheuten sich aber vor dem Begriff "nachhaltige Bestattung" im Sinne einer ökologisch wenig belastenden Bestattung: Sie sahen sich dadurch als Müll entwertet.

Nicht-Existenz ist nicht vorstellbar

Besonders die Vorstellungskraft spiele bei der Auswahl der Bestattungsform eine Rolle, so Psychologin Loch. "Viele der Teilnehmer sagten, sie hätten bei einer Erdbestattung Angst, von Würmern zerfressen zu werden", sagt sie. "Wir denken uns immer mit, obwohl wir wissen, dass wir tot sein werden. Die eigene Nicht-Existenz ist nicht vorstellbar. Das ist auch der Grund, warum der Tod gesellschaftlich aus dem Bewusstsein verdrängt wird – wir wollen uns nicht damit beschäftigen."

Waldesruh statt Reihengrab (KNA)
Waldesruh statt Reihengrab / ( KNA )

Bei einer Waldbestattung werde über Naturbilder ein versöhnlicher Umgang mit dem Tod ermöglicht. "Das Sterben ist so undramatischer. Es wird klarer, dass es zum Leben dazu gehört", sagt sie. "Die Waldbestattung findet an einem 'neutralen Ort' statt, ist nicht so traurig wie vielleicht auf dem Friedhof. Hier kommen Spaziergänger hin, Jogger laufen vorbei." Für viele Menschen fühlt sich der Gedanke an die Beisetzung im Wald wie ein "nach Hause kommen" an.

Entsprechend bezeichnen sich viele (96 Prozent) ohnehin als naturverbunden. 89 Prozent schreiben dem Wald sogar eine spirituelle Kraft zu: "Meine Seele wird im Wald herumwandern, daher Waldbestattung, weil ich mich im Wald wohlfühle", sagte etwa ein 49-jähriger Studienteilnehmer.

Christliche Bestattung auch im Friedwald

41 Prozent der Befragten sind katholisch oder evangelisch, 56 Prozent gehören keiner Kirche an. "Die Motive für eine Waldbestattung sind sehr unterschiedlich. Mit Glauben oder Unglauben hat das für die meisten Befragten nichts zu tun", erklärt Loch. Wer möchte, kann in einem FriedWald auch ein traditionelles christliches Begräbnis mit einem Pfarrer bekommen.

Rund 92 Prozent suchen laut Befragung bei einer Waldbestattung aber gerade eine alternative Bestattungsform – "auch in Abgrenzung zum sehr festgelegten Zeremoniell der Kirchen. Das hat auch mit der aktuellen Ablehnung der Kirchen zu tun", vermutet Loch.

Quelle:
KNA