Staatsrechtler blicken kritisch auf Impfregeln

Derzeitiges Konzept "verfassungswidrig"

Mehrere Staatsrechtler halten die aktuellen Corona-Impfregeln für verfassungswidrig, weil sie nur per Verordnung erlassen worden seien und nicht durch den Bundestag. Das derzeitige Regelungskonzept sei "gerichtlich angreifbar".

Symbolbild Impfen / © Guido Kirchner (dpa)
Symbolbild Impfen / © Guido Kirchner ( dpa )

"Die Vertreter des Verfassungsrechts sind sich einig, dass die Corona-Impfverordnung gegen das Grundgesetz verstößt", sagte die Staatsrechtlerin Anna Leisner-Egensperger von der Universität Jena der "Welt" (Dienstag): "Wir impfen derzeit auf Grundlage einer politischen Strategie." Diese werde zwar von einer Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen, doch fehle ihr eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage.

Leisner-Egensperger ist als Sachverständige am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestags geladen. In ihrer Stellungnahme schreibt sie laut "Welt", dass es für die in der Verordnung festgelegte Reihenfolge bei den Impfungen keine verfassungskonforme Grundlage gebe: "Diese Vorschriften sind daher rechtswidrig und damit nichtig. Sie dürfen von den Behörden nicht angewendet werden und müssen von den Bürgern nicht beachtet werden."

"Gerichtlich angreifbar"

Staatsrechtler Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg zitiert die Zeitung mit den Worten, das derzeitige Regelungskonzept sei "verfassungswidrig und daher gerichtlich angreifbar".

Die Bochumer Gesundheitsrechtlerin Andrea Kießling verlange in ihrer Stellungnahme, dass es dringend ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz geben müsse, "das die Verteilungsziele in Form einer wertenden Grundentscheidung und die Impfkriterien in Form einer abstrakt gehaltenen Aufzählung von Personengruppen regelt und zur Festlegung der konkreten Impfreihenfolge durch eine Verordnung ermächtigt".

Auch die "Bild"-Zeitung (Dienstag) berichtet über kritische Stellungnahmen zur per Verordnung festgelegten Bevorzugung von Bevölkerungsgruppen bei der Corona-Impfung. Neben der fehlenden Beteiligung des Bundestags gebe es auch die Kritik, dass bei der Impf-Priorisierung zu wenig die Ansteckungsrisiken berücksichtigt würden.

Der Theologe Peter Dabrock etwa, der auch lange Mitglied im Deutschen Ethikrat war, halte es für bedenklich, dass zum Beispiel Lehrer oder Kassiererinnen benachteiligt würden. Dabei hätten diese aufgrund ihres beruflich bedingten Kontakts zu vielen Menschen ein viel höheres Infektionsrisiko als etwa Rentner. Diese könnten ihr Risiko viel besser steuern, indem sie vermeidbare soziale Kontakte verringern.


Quelle:
KNA
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