Der Vatikan sucht nach Auswegen aus dem Image-Schaden

Verschwörungstheorien und Ratlosigkeit

In italienischen Medien werden bereits Verschwörungstheorien kolportiert. Es sei kein Zufall, dass die Rücknahme der Exkommunikation für die vier Traditionalisten-Bischöfe und das Interview mit Richard Williamson zeitlich zusammenfielen. Dahinter stecke vielmehr irgendeine Regie von Leuten, die den Papst in Misskredit bringen wollten, schreibt "Il Giornale" unter Berufung auf ein angebliches Geheimdossier.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Ein Komplott, vielleicht auch mit Unterstützung von Widersachern in den eigenen Reihen, das die Aussöhnung mit den Traditionalisten hintertreiben wolle.

Die anhaltende Verunsicherung im Vatikan und die entscheidende Rolle schwedischer und deutscher Medien widersprechen einer solchen Erklärung. Die Kurienbischöfe und -prälaten sprechen weiter von unglücklichem Zusammentreffen, rätseln über Ursachen und Abläufe und sind ratlos, was einen Ausweg betrifft. Die Lage scheint schwieriger als bei früheren Pannen des Pontifikats, etwa als im Januar 2007 der neu ernannte Warschauer Erzbischof noch am Tag seiner Inthronisierung wegen Geheimdienstvorwürfen zurücktreten musste. Auch damals hatten offenbar die Informations- und Frühwarnsysteme versagt. In den derzeit besonders umfangreichen Pressespiegeln sehen die Kurienprälaten nun, was die Medien berichten - und wie das an ihrem Image nagt.

Pius-Brüder entschärfen Debatte nicht
Unterdessen scheint die Sache mit den Pius-Brüdern immer weiter aus dem Ruder zu laufen. Denn die vier Absolvierten, die weiterhin suspendiert und somit noch nicht handlungsfähige katholische Bischöfe sind, zeigen sich mitnichten für das päpstliche Entgegenkommen erkenntlich, sondern legen nach. Statt zügiger Schritte hin zur Einheit beharrt zumindest Bernard Tissier de Mallerais auf seinen vorkonziliaren Positionen bis hin zur Absicht, dass sich der Vatikan zu ihnen bekehren müsse.

Man weiß, dass die Williamson-Äußerungen vorab im Vatikan bekannt waren - etwa weil die im Staatssekretariat einlaufenden Nachrichtenagenturen über die Ermittlungen des Regensburger Staatsanwaltschaft gegen Williamson berichtet hatten. Zudem gibt es Nuntien und ein sagenumwobenes vatikanisches Informationsnetz. Offenbar fehlte es auch nicht an Versuchen, das Dekret noch zu stoppen. Ob sich Kardinal Dario Castrillon Hoyos (79) von der Kommission «Ecclesia Dei» durchsetzte, der noch vor seiner Pensionierung Anfang Juli die kirchliche Einheit voranbringen wollte, ist unklar. Ebenso, ob er es im Alleingang oder in Abstimmung nach «oben» durchsetzte.

Und gerätselt wird, warum sich der mächtige Chef der Bischofskongregation, Kardinal Giovanni Battista Re (74), einer der letzten starken Kurienmänner aus dem Vorgänger-Pontifikat, trotz einer kritischen Meinung darauf einließ oder einlassen musste, das Dekret binnen weniger Stunden auszufertigen.
Was kann der Papst nun tun?
Nach dem Kirchenrecht hat der Papst nun viele Möglichkeiten. Er kann jederzeit Personen ernennen, versetzen oder in den Ruhestand befördern; er kann Dekrete zurückziehen oder modifizieren. Eine totale Rücknahme des Dekrets wäre in diesem Fall eher theoretisch, ebenso eine erneute Exkommunikation nur für Williamson - da die Leugnung des Holocaust im Kirchenrecht als Strafdelikt nicht vorkommt. Jedoch könnte der Papst ihn zu einer unmissverständlichen Distanzierung und öffentlichen Entschuldigung auffordern. Er könnte die Aufhebung der Suspendierung und die Zuweisung eines Bischofssitzes solange verweigern, bis Williamson und/oder die übrigen drei sich eindeutig hinter das Zweite Vatikanische Konzil samt seiner Aussagen zu Ökumene, Religionsfreiheit und interreligiösen Dialog gestellt haben.

Ohnehin wird sich der Vatikan vor einem nächsten Schritt des Entgegenkommens nicht auf Treu und Glauben verlassen, sondern klare Zusagen abwarten. Und dann bleibt die Frage, ob die Kommission «Ecclesia Dei» die Angelegenheit auf Dauer in Eigenregie lösen kann, oder ob nicht doch die Glaubenskongregation oder das Staatssekretariat als vatikanische «Querschnittsbehörden» den Fall übernehmen werden. Außerdem könnte Benedikt XVI. - wie bei früheren Krisen - die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Botschafter zu einem Informations-Sondertreffen laden oder andere diplomatischen Mittel nutzen.

Nicht weniger notwendig scheint für die Zukunft eine bessere Kommunikation zwischen den Vatikan-Ämtern, wie sie etwa der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper anmahnt. Eine Vernetzung der Kongregationen, Räte und Kommissionen nicht nur unmittelbar mit dem Papst, sondern auch untereinander - woran es in diesem Fall haperte. Vielleicht werden bald auch im Vatikan regelmäßige Kabinettssitzungen üblich. Vielleicht könnte daran auch der Vatikansprecher teilnehmen, um rascher reagieren zu können.

Teillösungen der Krise sieht der Vatikan bereits in Sicht. Durch die klaren Worte des Papstes sei die Kontroverse mit Israel ausgeräumt, meinte etwa Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone in einem Interview. Die Planungen für die Heilig-Land-Reise des Papstes seien schon in einem fortgeschrittenen Stadium.

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