Der Ball aus Rom liegt im Feld der Traditionalisten

Quo vadis, Pius-Bruderschaft?

Die Welt schaut auf Menzingen - das kommt nicht alle Tage vor. Denn die 4.361-Einwohner-Gemeinde im Zentralschweizer Kanton Zug liegt fernab der großen Routen. Doch am Hauptsitz der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. laufen dieser Tage die Fäden zusammen: Hier wird entschieden, wie sich die Gruppierung zum Friedensangebot aus Rom und den damit verbundenen Bedingungen positionieren will.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Doch laufen sie tatsächlich zusammen - oder auseinander? Denn die Bischöfe der Bruderschaft, die Papst Benedikt XVI. als einseitiges Entgegenkommen vom Kirchenbann löste, senden höchst unterschiedliche Signale aus. Da ist zunächst Bischof Richard Williamson, Holocaust-Leugner und größter Stolperstein auf dem Weg der angestrebten Wiederannäherung. Nachdem sein schwedisches TV-Interview eine weltweite Nachrichtenlawine losgetreten und den Vatikan in schwerste diplomatische Wetter gebracht hat, hat ihn sein Generaloberer Bernard Fellay mit einem Redeverbot für historische und politische Fragen belegt. Einzig eine lauwarme Entschuldigung beim Papst und allen Menschen guten Willens verlautete seitdem von jenem Mann, der die Existenz der NS-Gaskammern leugnet und den Holocaust für eine Lüge hält. Von seinen unhaltbaren Thesen hat er keine einzige zurückgenommen.

Kaum schweigt der eine Bischof still, zündelt schon der nächste am dünnen Gesprächsfaden zwischen Rom und Menzingen. Bernard Tissier de Mallerais straft die Beteuerungen seines Oberen Lügen, wenn er der Tageszeitung «La Stampa» in den Block diktiert: «Wir ändern unsere Positionen nicht. Wir haben die Absicht, Rom zu bekehren und den Vatikan hin zu unseren Positionen zu bringen». Ein echter kirchenpolitischer Kursschwenk, wie ihn der Vatikan fordert, sieht anders aus.

Den derzeitigen Papst Benedikt XVI. nannte Tissier de Mallerais noch vor dessen Versöhnungsgeste einen «Modernisten» und «Häretiker», das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) sieht er erklärtermaßen als Wurzel aller Übel: Drogen, Unzucht oder Frauen in Hosen. Schwer zu denken, dass er nun die Lehre der «römischen Parallelkirche» - Originalton Tissier de Mallerais - von Herzen freudig als die seine begrüßt. Es sei denn, er täte es als Eintrittskarte für seinen Bekehrungszug ins Innere des Vatikan.

Denn bislang, so beklagt der Savoyarde mit dem klangvollen Namen, ist sein Bischofstitel ja noch eine Art Muster ohne Wert: «Wir sind noch nicht Bischöfe, denn wir haben noch keinen Bischofssitz erhalten.» Ob das denn tatsächlich eines Tages geschieht, wird nicht zuletzt von seinen eigenen weiteren Äußerungen abhängen. Derzeit, so will es das Kirchenrecht als die Kehrseite der Medaille, unterliegen er und seine drei Mitbrüder als vom Amt suspendierte Bischöfe nur ansatzweise der päpstlichen Jurisdiktion. Als Drohwerkzeug hat Benedikt XVI. einzig die recht theoretische Möglichkeit einer erneuten Exkommunikation; anders kann er die Pius-Brüder nicht zur Entschuldigung oder zur Rücknahme von Äußerungen zwingen. Erst wenn er sie wieder ganz ins Boot holt und ihre Suspendierung aufhebt, ist er tatsächlich ihr Kapitän. Eine Zwickmühle.

Was also gelten die Zusagen des Generaloberen Fellay, des jüngsten und am meisten gesprächsbereiten der vier Lefebvre-Bischöfe, man werde die Autorität des Papstes und das kirchliche Lehramt voll anerkennen? Spricht er für seine drei Amtsbrüder, oder spricht er lediglich für sich und für einen «vernünftigen» Teil der Pius-Gefolgschaft? Denn unwiderrufen steht noch die Aussage von Tissier de Mallerais, der jene Traditionalisten, die bereits zur römischen Kirche zurückgekehrt sind, als «Untreue» und «Schwache» brandmarkt. Quo vadis, Pius-Bruderschaft? Die Frage stellt man sich derzeit nicht nur im Vatikan.