Der Vatikan-Bahnhof öffnet wieder

Mit Schall und Rauch

Rauch steigt auf im Vatikan - diesmal ein gutes Zeichen. Am kürzesten Bahnhof der Welt wartet dampfend ein historischer Zug auf seine Abfahrt, auf die Sonderfahrt des "Caritas Express". Zum 60. Geburtstag des Internationalen Hilfswerks Caritas Internationalis ist am Wochenende zum ersten Mal seit neun Jahren wieder offiziell ein Personenzug vom Bahnhof im Vatikan abgefahren.

Autor/in:
Veronika Schütz
 (DR)

Zuletzt fuhr Papst Johannes Paul II. im Jahr 2002 von dort aus nach Assisi. Der "Caritas Express" hat Orvieto als Ziel, eine Reise von etwa 100 Kilometern. Ein schönes Zeichen, den Geburtstag mit dieser Fahrt zu feiern, sagt Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga, der Präsident von Caritas Internationalis.



Der Zug pfeift und stößt. Ein Angestellter der Italienischen Eisenbahn schippt noch Kohlen in den Ofen der nostalgischen Lok, die, wie auch die Waggons, in den 1920er Jahren entstand. Am Bahnsteig stehen mittlerweile Hunderte Menschen, darunter Geistliche, geladene Gäste, Caritasmitarbeiter, Unterstützer, Journalisten und Besucher.



Insgesamt weniger als 900 Meter lang

Der Bahnhof im Vatikan geht auf die Lateranverträge zurück, wonach der italienische Staat sich verpflichtete, innerhalb der vatikanischen Mauern eine Eisenbahnstation zu bauen - als Verbindung zum etwa 600 Meter entfernten Bahnhof San Pietro. Insgesamt ist die Linie des Vatikan weniger als 900 Meter lang. Das Gebäude des Bahnhofs ist dafür umso eindrucksvoller. Der Entwurf stammt von Giuseppe Momo, der den Komplex überwiegend für Repräsentationsaufgaben gestaltete. Man dachte dabei an Ankünfte von hohen Persönlichkeiten und an Abreisen des Papstes. So sind etwa die Repräsentationsräume aus Marmor, und die Dekorationssteine der Säulen stammen aus den Steinbrüchen von Versilia und Seravezzo in der Toskana.



An der Fassade finden sich unter anderem Reliefs des Turiner Bildhauers Eduardo Rubino. Sie stellen Christus und die Apostel im Schiff von Petrus dar sowie die Auffahrt des Propheten Elias im feurigen Wagen in den Himmel. Beide Themen sind auf das Reisen bezogen.



Johannes XXIII. nutzte den Bahnhof persönlich

Im Oktober 1934 wurde der Bahnhof dem Vatikan übergeben. Doch erst Papst Johannes XXIII. nutzte den Bahnhof persönlich: Vor Beginn des zweiten Vatikanischen Konzils 1962 reiste er nach Assisi und Arezzo. Die Nutzung des Bahnhofs der nachfolgenden Päpste lässt sich an einer Hand abzählen. Mittlerweile ist der Bahnhof eine exklusive Adresse für das Einkaufen von Schuhen, Lebensmitteln und Luxuswaren. Allerdings nur für die Angestellten des Vatikan.



Über die Funktion und den Nutzen der vatikanischen Eisenbahn wurde in der Vergangenheit viel diskutiert. Auch besitzt der Vatikan weder Waggons, noch verfügt er über Eisenbahner. Lediglich ein geringer Teil des gesamten Warenverkehrs, der im Vatikanstaat ankommt und abgeht, erfolgt per Eisenbahn. Abfahrende oder ankommende Reisende sind außer bei Sonderzügen auf dem Vatikanischen Bahnhof noch nicht gesehen worden. Das Reisen vom Vatikanischen Bahnhof bleibt den Päpsten vorbehalten. Für diese Sonderfahrt nach Orvieto habe Papst Benedikt XVI. seine Sondererlaubnis gegeben, scherzte Kardinal Maradiaga.



Die Lok pfeift, Wasserdampf tritt aus, das Tor des Vatikanischen Bahnhofs öffnet sich. Kurz vor der Abfahrt segnet Maradiaga den Zug. Alle Anwesenden beten noch ein Vaterunser und ein Ave Maria, bevor sie sich auf die Suche nach ihrem Platz in einem der sieben Waggons machen. "Jesus hätte das Symbol des Zugs gefallen", sagt der honduranische Kardinal auf der Fahrt nach Orvieto. Jesus habe zwar eher von Schafen und Herden gesprochen, dennoch gebe es Parallelen zum Zug: "Jeder ist individuell und dennoch sind wir alle gemeinsam unterwegs", so der Kardinal.