Seit 50 Jahren gibt es "Essen auf Rädern"

Es ist angerichtet

Essen auf Rädern - für viele alte oder behinderte Menschen gehört der Lieferservice inzwischen zum festen Bestandteil ihres Alltags. Aber wer wüsste aus dem Stand heraus zu sagen, wie lange es dieses Angebot schon gibt? Die Antwort lautet: Seit ziemlich genau 50 Jahren. Begonnen hat alles in Berlin - und Krefeld.

 (DR)

Im Frühjahr 1961 unternahmen deutsche Politiker eine Informationsreise nach England. Was sie an politischen Impulsen mitbrachten, ist nicht überliefert. Eine sozialpolitische Idee jedoch, die durch sie über den Kanal schwappte, veränderte die Welt für Alte, Alleinstehende und Kranke: "meals on wheels" - auf der Insel seit den 1940er Jahren eine feste Größe.



Schon im Sommer desselben Jahres gibt es das deutsche Pendant. Im Internet wird Berlin als erster Ort eines fahrbaren Mittagstischs genannt. Einen Monat vor dem Mauerbau, im Juli 1961, sollen 30 Kreuzberger Rentner erstmals zu Hause mit einer warmen Mahlzeit versorgt worden sein. In England waren Frauen der Wohlfahrtsorganisation "Women"s Voluntary Service" (WVS) aus Welwyn Garden City die Pioniere. In Berlin übernehmen freiwillige Helfer des Nachbarschaftshauses an der Berliner Urbanstraße die Initiative.



Mit 30 Kunden fängt alles an

Krefeld steht dem kaum nach. Im Spätsommer 1961 gehen am linken Niederrhein gleich zwei Dienste an den Start: der "Fahrbare Mittagstisch des Caritasverbands Krefeld" und "Essen auf Rädern" des Vereins für Haus- und Krankenpflege. Eine der Initiatoren in Krefeld ist Lore Cattepoel (1910-2003). Die aus Dortmund stammende Theologin war über fünf Jahrzehnte auf sozialem Gebiet in der Stadt tätig. Sie engagierte sich besonders für Behinderte und Alte, etwa im mennonitischen Hilfswerk, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und eben bei "Essen auf Rädern". 1988 erhielt sie dafür die Ehrenbürgerschaft der Stadt Krefeld.



Bei der Caritas ist eine "Frau Zuber" in jenen Tagen erste Leiterin und treibende Kraft, wie man sich bei der Caritas in Krefeld noch heute erinnert. Mit 30 Kunden fängt alles an. Vier Autobesitzer erklären sich bereit, das Essen auszuliefern. Fünf Tage in der Woche kommt die warme Mahlzeit ins Haus. Sie kostet 1 Deutsche Mark, samt Fahrtkosten. Schon ein Jahr später machen in Krefeld Planungen für ein "Haus der Altenspeisung" die Runde. Außer einem Speiseraum für 30 Personen soll auch eine Großküche entstehen. 1964 ist die Einweihung. 17 Jahre später hat der Caritas-Dienst 155 Kunden, nochmals 10 Jahre später 385.



Und heute Marktführer

"Heute ist der Fahrbare Mittagstisch der Caritas Krefeld mit täglich rund 400 Kunden der Marktführer der Region", erklärt Caritas-Sachbereichsleiter Georg de Brouwer. Zwölf Fahrzeuge und 50 Mitarbeiter sind im Einsatz. Die Karte weist acht Menüs aus, darunter auch Spezialkost etwa für Diabetiker. Und natürlich müssen die Bezieher heute, anders als in den Anfangsjahren vor einem halben Jahrhundert, auch am Wochenende nicht auf das Essen verzichten. Und damit auf ein Stück Selbstständigkeit. Essen auf Rädern, ob von Caritas, Diakonie und Arbeiterwohlfahrt oder von einem anderen Anbieter, ermöglicht immer mehr Senioren und Kranken, in den eigenen vier Wänden zu leben. Es ist ein Baustein neben ambulanten Pflegediensten, Besuchs-Initiativen, Hausnotruf und Nachbarschaftshilfen.



"Wir sind natürlich ein wenig stolz, dass der Caritasverband Krefeld der erste Verband in der Caritas-Familie in Deutschland ist, der einen Mahlzeiten-Lieferservice angeboten hat", erläutert Caritas-Geschäftsführer Hans-Georg Liegener. Aus gegebenem Anlass gibt es derzeit besondere Leckereien für die Kunden, die zwölf Fahrzeuge zur Auslieferung ziert ein Jubiläums-Logo. Und im September ist eine kleine Feier geplant. Schließlich gilt es, eine echte Pionierleistung angemessen zu würdigen.