Der US-Underground-Zeichner Robert Crumb hat sich die Bibel vorgenommen

Die Schöpfung als Comic

Der Underground-Comiczeichner Robert Crumb steht für alles, was irgendwie politisch unkorrekt ist: In seinen Comics liebt der US-Künstler drastische Darstellungen von Gewalt, Sex und Drogenkonsum. Jetzt hat er sich die Bibel vorgenommen. Wer jedoch erwartet, dass Crumb gegen Gott mit spitzem Stift zu Felde zieht, wird überrascht.

Autor/in:
Holger Spierig
 (DR)

Der Comiczeichner, der sich von der Kirche schon lange abgewendet hat, hielt sich wortwörtlich an den Text der Heiligen Schrift. Er habe den biblischen Text eigentlich nur illustriert, sagt der 66-Jährige.

Er sei schon lange von den alten Mythen fasziniert, erklärte der öffentlichkeitsscheue Künstler kürzlich in Paris bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte. Die Bibel sei für ihn kein heiliger, sondern ein mythischer Text, voller kraftvoller Geschichten und Bilder. Die Arbeit am Genesis-Projekt habe ihn allerdings weder intellektuell noch spirituell verändert, bekannte Crumb. Er bezeichnet sich als "Suchender".

Vier Jahre lang hat der US-Künstler, der seit Mitte der 90er Jahre mit seiner Frau zurückgezogen in Südfrankreich lebt, an seinem Genesis-Projekt gearbeitet. Dafür studierte er verschiedene Bibelausgaben, zog Bildbände von biblischen Stätten zurate und sah sich alte Hollywood-Monumentalfilme an. Herausgekommen ist ein großformatiges schweres Buch mit 228 Seiten, das mit dem Schöpfungsbericht beginnt und nach 50 Kapiteln mit dem Aufstieg Josefs am Palast des ägyptischen Pharaos endet. Für den Text hat Crumb im Amerikanischen größtenteils die "King-James-Bibel" benutzt. Die deutsche Übersetzung beruht auf der Lutherbibel in der Fassung von 1912.

Schock nicht ausgeschlossen
Dass die frühen biblischen Geschichten auch eine ganze Menge Gewalt (Kain und Abel) und Romanze (Adam und Eva) enthalten, dürfte dem Meister des drastischen Stils entgegengekommen sein. Der kräftige Strich und die voluminösen Körper - besonders der Frauengestalten - erinnern noch an den Star-Zeichner, der in den 60er Jahren in der Hippie-Hochburg San Francisco als Kult-Ikone verehrt wurde.

Mit seinen Figuren wie dem durchtriebenen Kater "Fritz the Cat" oder dem etwas versponnenen Alt-Hippie "Mr. Natural" wollte er damals den biederen Comic-Helden wie "Superman" aus dem Hause DC oder Walt Disneys "Mickey Mouse" Paroli bieten. Kritiker warfen ihm vor, seine Arbeiten seien frauenverachtend und gewaltverherrlichend.

Crumb schließt nicht aus, dass sein Genesis-Comic den einen oder anderen gläubigen Leser schockieren könnte. Beabsichtigt hat er das jedoch nicht, wie er versichert. Er habe seine Aufgabe darin gesehen, "lediglich den Text zu illustrieren, ohne ihn in irgendeiner Weise ins Lächerliche zu ziehen oder für visuelle Kalauer zu missbrauchen", schreibt er im Vorwort. Die Figuren von Crumbs "Genesis" hätten denn auch kaum noch etwas Subversives an sich, befand die "Frankfurter Rundschau". Vielmehr erinnere seine Ikonographie an die Heftchen der Zeugen Jehovas.

Lange Tradition
Biblische Themen haben im Comicgenre eine lange Tradition. "Tatsächlich sind Bibel-Comics fast so alt wie die Gattung des Comic-Hefts selbst", schreibt der Popkultur-Experte Jens Balzer in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Literaturen". Als Beispiel führt er den jüdisch-amerikanischen Verleger Maxwell Gaines an, der bereits 1942 eine monatliche Reihe mit Bildergeschichten aus der Bibel in seinem Comic-Verlag veröffentlichte.

Mitte der 70er Jahre setzte sich Comiclegende Will Eisner in der Graphic Novel "Ein Vertrag mit Gott" mit seinem jüdischen Glauben auseinander. Um Erfahrungen mit Religion und Kirche geht es auch in dem 500 Seiten starken Comic-Roman "Blankets" des US-Amerikaners Craig Thompson, der 2005 auf der Frankfurter Buchmesse den Preis für den "Comic des Jahres" erhielt.

Die Deutsche Bibelgesellschaft in Stuttgart hält Crumbs Bibel-Projekt "keinesfalls für bedenklich". Mit Comics könnten Leser erreicht werden, die normalerweise nicht die Bibel in die Hand nähmen, erklärt Lektor Mathias Jeschke. "Allerdings haben wir festgestellt, dass der Markt zu klein ist, um den Aufwand einer eigenen Produktion zu rechtfertigen." Deshalb werden bei der Bibelgesellschaft nur noch Bibel-Comics aus den USA in Lizenz produziert.

Der Hamburger Carlsen Verlag, der Crumbs deutsche Genesis-Ausgabe am Montag herausbringt, gibt sich jedoch optimistisch. Wenn jemand wie Robert Crumb, der für seine unkonventionellen Sichtweisen bekannt sei, sich der Genesis annehme, sagt Comic-Programmleiter Ralf Keiser, "dann bekommt das natürlich einen besonderen Reiz".