Der Streit um konservative Themen begleitet die Union

Das Kreuz der Katholiken

Die CDU unter Angela Merkel und die bürgerlich-konservative, oft katholische Klientel fremdeln. Diese Spannung ist älter als die Kritik der Kanzlerin an Papst Benedikt XVI. vom Februar. Doch seither bekommt die Parteiführung die Kontroverse kaum mehr unter Kontrolle.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Das Thema wird die Kanzlerin nicht mehr los. Fährt Merkel mit dem Zug auf Adenauers Spuren durchs Rheintal, spricht der Fernsehkommentar von einer Reminiszenz an die katholische Gründungsgeschichte der CDU. Stellt sie sich gut 70 Minuten der Hauptstadtpresse, verweisen Kommentatoren im Anschluss auf das weitgehende Fehlen klassisch-konservativer C-Positionen.

Merkel absolvierte zwar - in zwei Katholischen Akademien, beim Familienbund der Katholiken, im Kardinal-Höffner-Kreis der Unionsfraktion und andernorts - gehäuft kirchennahe Termine. Doch eine Beruhigung blieb aus. Die Suche nach dem "C" im Parteinamen begleitet die CDU.

Teile der Basis murren
Dabei spielen Themen, die konservative Kreise oder kirchlich gebundene Wähler interessieren, im Wahlkampf der Partei kaum eine Rolle. Wenn denn die CDU überhaupt auf Themen statt auf das Merkel-Portrait setzt, geht es selten um Grundwerte, um Familie, Lebensschutz oder weltweite Solidarität. Auch bei der Gerechtigkeitsdebatte bleibt die CDU, eingekeilt zwischen dem Streit um Managergehälter und Mindestlohn, sozialethisch eher dünn aufgestellt.

Und Teile der Basis murren. Bei der Europawahl am 7. Juni verlor die CDU überdurchschnittlich bei katholischen Wählern. Für die Landtagswahlen Ende August in Sachsen, Thüringen und dem Saarland stehen die Angaben offiziell noch aus - dass die parteinahe Adenauer-Stiftung die sonst prompte Analyse auf die Zeit nach dem 27. September verschob, fiel auf. Derweil frohlocken zwei der Konkurrenten lauthals über katholische Wähler. FDP-Chef Guido Westerwelle sprach gleich von "Millionen Katholiken", die die Liberalen wählen würden. Und Renate Künast verwies am Sonntag explizit darauf, die Grünen seien für Katholiken längst wählbar.

Den Stimmanteil der Katholiken mag die Unionsspitze nicht als entscheidend erachten. Aber dass in einer bayerischen Kirchenzeitung ein Kommentator dazu ermuntert, statt der Union doch eine der Kleinparteien ÖDP oder Zentrum zu wählen, wäre vor der Ära Merkel undenkbar gewesen.

Thema nicht nur bis zum Wahlsonntag
Zu der Gemengelage passt, dass sich seit März gleich drei Autoren, allesamt katholisch, mit dem "C" im Namen der Partei befassten. Wenige Wochen nach der Papst-Schelte stellte der Berliner Journalist Volker Resing eine sorgsam erarbeitete Biographie "Angela Merkel - Die Protestantin" vor. Das Buch zeigt, wie tief ihre ostdeutsche und eben protestantische Prägung ist. Resing verweist auf den Begriff des "christlichen Menschenbildes" in der CDU-Programmatik, "ein Begriff, der so hilfreich ist wie trügerisch".

Mit Meinungsbüchern geben sich die beiden anderen Autoren, der Publizist Martin Lohmann und der Dominikaner Wolfgang Ockenfels, kämpferisch und drängen auf "unverwechselbar wertkonservative" Positionen. Lohmann beklagte in "Das Kreuz mit dem C - wie christlich ist die Union?" im Juni, das Christliche habe sich in der Union "verflüchtigt", die Partei unterscheide sich kaum mehr von anderen. Zwei Monate später legte Ockenfels mit "Das hohe C - Wohin steuert die CDU?" nach und gab sich schlussendlich der Furcht hin, die CDU könne einstürzen wie das Kölner Stadtarchiv. Irgendwann seien auch die "Schmerzgrenzen der treuesten CDU-Anhänger" erreicht.

Das Thema wird die CDU nicht nur bis zum Wahlsonntag beschäftigen. Die Bundestagsfraktion sieht dann übrigens anders aus. Prominente Katholiken wie Friedrich Merz, Willy Wimmer, Hartmut Schauerte, der Vorsitzende der Fraktions-Arbeitnehmergruppe, Gerald Weiß, und der Vorsitzende des Höffner-Kreises, Georg Brunnhuber, sind dann nicht mehr dabei. Gleichwertiger Ersatz ist derzeit nicht erkennbar.