Der Pflege-Mindestlohn tritt in Kraft

Umstrittener Kompromiss

Knapp 600.000 Beschäftigte in der Pflegebranche sind künftig erst einmal vor Lohndrückerei geschützt: Am 1. August tritt der Mindestlohn in der Pflege in Kraft. Doch der Mindestlohn gilt längst nicht für alle in der Pflege Tätigen.

Autor/in:
Karin Wollschläger
 (DR)

Pflegehilfskräfte erhalten künftig mindestens 8,50 Euro pro Stunde in den alten Bundesländern und 7,50 Euro in den neuen Bundesländern. Bis 2013 soll diese Untergrenze stufenweise noch um insgesamt 50 Cent steigen. Befristet ist der Mindestlohn zunächst bis Ende 2014.

Nicht darunter fallen etwa Hauswirtschaftskräfte, Auszubildende oder Praktikanten sowie die Betreuer für Demenzkranke. Denn der Mindestlohn gilt nach Ministeriums-Angaben nur für Arbeitnehmer, die überwiegend "Grundpflegeleistungen" erbringen - wie das Waschen der Patienten, Hilfe beim Anziehen oder Treppensteigen sowie die Zubereitung von Mahlzeiten und das Füttern.

Vorangegangen waren dem Pflege-Mindestlohn zähe, monatelange Verhandlungen. Bereits kurz vor Ende der großen Koalition, im September 2009, hatte der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) die sogenannte Findungskommission ins Leben gerufen, die eine Lohnuntergrenze für die Pflegebranche austarieren sollte. Dem Gremium gehörten jeweils vier Vertreter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite an. Caritas und Diakonie waren auf beiden Seiten vertreten. Sie haben mit dem sogenannten Dritten Weg ein eigenes Tarif- und Arbeitsrecht. Außerdem am Tisch: die Gewerkschaft Ver.di, der Verband kommunaler Arbeitgeber und der Verband privater Anbieter von Pflege.

Pflege als Politikum
Genau diese Konstellation machte die Einigung so schwierig: Während Anbieter privater Pflegedienste häufig Dumpinglöhne unterhalb des jetzt vereinbarten Mindestlohns zahlten, liegen die Löhne beispielsweise der Caritas etwa 1,50 Euro darüber. Die privat-gewerblichen Anbieter fürchteten um ihren preislichen Konkurrenzvorteil. Und die Sorge der kirchlichen Pflegeeinrichtungen war, dass ein Mindestlohn zum Normlohn werden könnte, der dann auch zur Grundlage für die Erstattung von Leistungen durch die Krankenkasse werden könnte. Sprich: Caritas und Diakonie kämen unter erheblichen Re-Finanzierungsdruck bei ihren Lohnkosten.

Ein zweiter Punkt, der die Einigung schwierig machte: Innerhalb der Bundesregierung war das Thema schlicht und einfach ein Politikum, weil die FDP mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle von Anfang an grundsätzlich gegen Mindestlöhne war. Die FDP hatte schon früh signalisiert, sie akzeptiere einen Mindestlohn überhaupt nur dann, wenn die Kommission zu einem einstimmigen Ergebnis komme - und sorgte damit für politischen Druck. Im März verständigte sich die Pflegekommission dann einstimmig auf Empfehlungen für Lohnuntergrenzen. Doch Brüderle legte nochmals nach, legte sein Veto ein und forderte, den Mindestlohn bis 2011 zu befristen. Durchsetzen konnte er sich damit am Ende jedoch nicht.

Zweifelsohne ein Kompromiss
Der jetzt in Kraft tretende Mindestlohn ist zweifelsohne ein Kompromiss. Im Vergleich zu vielen anderen Branchen sind die vereinbarten Lohnuntergrenzen in der Pflege relativ niedrig. So erhalten im Baugewerbe selbst Ungelernte mindestens 9,25 Euro Stundenlohn. Bei Malern und Lackierern liegt die Untergrenze bei 9,50 Euro.

Und so brach kaum jemand in Jubel über das Ergebnis aus. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) kritisierte den Lohnunterschied zwischen Ost und West als inakzeptabel. Der Sozial-Verband Deutschland (SoVD) nannte die Höhe bei weitem nicht ausreichend und forderte weitere Schritte, um den Pflegeberuf attraktiv zu machen. Schließlich droht in dieser Branche ein zunehmender Fachkräftemangel - und das bei einer rasant wachsenden Pflegebedürftigkeit von immer mehr Menschen. Caritas-Präsident Peter Neher strich immerhin positiv heraus: "Der Mindestlohn zieht eine wichtige unterste Grenze ein, um Dumpinglöhne und ein weiteres Absacken des Lohnniveaus im Pflegebereich aufzuhalten." Von daher sei es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.