Franziskus empfängt das Diplomatische Corps

Der Papst und wie er die Welt sieht

An diesem Donnerstag hält der Papst eine seiner wichtigsten Reden des Jahres. Die halbe Welt möchte wissen, wie der Heilige Stuhl zu diesen und jenen Krisen steht – und wie konkret er sich zu bestimmten Themen äußert.

Autor/in:
Roland Juchem
ARCHIV - Papst Franziskus spricht beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps im Vatikan / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
ARCHIV - Papst Franziskus spricht beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps im Vatikan / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

Seit einigen Tagen kennt Franziskus wohl schon den Text, den ihm enge Mitarbeiter vorbereitet haben. In den Tagen nach Weihnachten hatte der Papst wenige Termine und mithin viel Zeit, sich vorzubereiten. Kennern der Materie zufolge wird bis zuletzt an Sätzen und Wörtern der Rede des Papstes vor den Diplomaten der Welt gefeilt. Das gilt besonders seit der jüngsten Eskalation zwischen dem Iran und den USA.

Die bisherigen Äußerungen des Kirchenoberhauptes dazu waren allgemein gehalten, auch um angesichts der sich ständig verändernden unsicheren Lage erste Sondierungen und Bemühungen nicht zu gefährden. "In vielen Teilen der Welt liegen Spannungen in der Luft. Krieg bringt nur Tod und Zerstörung", warnte Franziskus am vergangenen Sonntag und rief "alle Parteien auf, Dialog und Selbstbeherrschung zu wahren".

Weites Netz diplomatischer Beziehungen

Für die "Softpower" des Vatikan ist Diskretion eines der wichtigsten Instrumente. Daher werden am Donnerstag etwaige Sätze des Papstes in Richtung Naher und Mittlerer Osten mit den feinen Hämmerchen der Diplomaten auf Hinweise abgeklopft werden.

Mehrfach, so darf man erwarten, wird Franziskus zum Dialog und zu internationaler Kooperation aufrufen. Der 75. Geburtstag der Vereinten Nationen wäre dazu sicher nicht der einzige mögliche Anlass. Unterhält doch der Heilige Stuhl eines der am weitesten gespannten Netze diplomatischer Beziehungen: zu 183 Staaten.

Traditioneller Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps

In ihren Ansprachen zum traditionellen Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps zeichneten die Päpste oft große Linien der Weltlage nach. Hier und da äußerten sie sich aber auch zu konkreten Regionen, Konflikten und Initiativen. Dabei erinnern sie mitunter an ihre Reisen im Jahr zuvor.

Zu den großen Linien gehören sicher die weltweiten Klima- und die Migrationskrisen. Zwei Themen, zu denen speziell Franziskus sich so oft geäußert hat, dass man fragen mag, was er noch Neues zu sagen hätte. Auch wenn der Vatikan keine Handelsmacht ist, so können ihn - wegen der Folgen für Arbeitsplätze und die Versorgungslage von Menschen - auch drohende Handelskriege nicht kalt lassen.

Thema Krieg, Gewalt und Abrüstung

Die Kritik am Waffenhandel sowie Appelle zur Abrüstung gehören zum "ceterum censeo" der katholischen Kirche. Nach seinen eindrücklichen Reden in Nagasaki und Hiroshima im November dürfte Franziskus dieses Thema erneut anschneiden. Die Aufkündigung entsprechender Abkommen zwischen USA und Russland, die Sticheleien aus Nordkorea sowie die 10. Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags im Mai in New York bieten Anlässe genug.

Eine weitere Front im "Dritten Weltkrieg in Stücken", von dem der Papst schon mehrfach sprach, ist die anhaltende Gewalt gegen die Schwachen der Welt: vor allem die oft tödliche Gewalt gegen Frauen aber auch gegen Kinder sowie ethnische und religiöse Minderheiten.

Weltkirche

Ende Februar treffen sich in Bari die katholischen Bischöfe des Mittelmeerraumes fünf Tage lang, um über das "Mittelmeer als Grenze des Friedens" zu sprechen. Der Papst kommt dazu. Da können ihm türkische, ägyptisch-arabische oder russische Interventionen in der Migrantenhölle Libyen nicht egal sein. Ebenso wenig wie sein Heimatkontinent Lateinamerika, zu dem er im vergangenen Herbst eigens die Amazonas-Synode einberief.

Beim Rückflug Ende November von Tokio antwortete er auf die Frage einer mexikanischen Journalistin, wie er die Lage zwischen Nicaragua, Venezuela, Bolivien und Chile sehe, eher vage. Gleiches gilt für China und die Proteste in Hongkong. Auch hier hielt Franziskus sich bedeckt, wechselte rasch zu anderen Konfliktherden.

Überhaupt China: Hier ist der Vatikan nicht (möglicher) Vermittler, sondern Betroffener. Seit der Unterzeichnung des provisorischen Abkommens mit Peking zur Ernennung von Bischöfen im September 2018 hat sich die Lage für alle Religionsgemeinschaften in der Volksrepublik weiter verschlechtert. - Gleichwohl wäre dieser Papst nicht er selbst, wenn er in seinem Blick auf die Welt des neuen Jahres 2020 nicht versuchen würde, Hoffnung zu machen.


Quelle:
KNA