Der Kölner Pfarrer Franz Meurer über das Sparpaket der Regierung

"Unsere Gesellschaft ist krank"

Für ihr Sparpaket erntet die Regierung weiterhin Kritik von allen Seiten. Der Caritasverband will die Pläne nicht akzeptieren, "kirchlichen Widerstand" gar fordert Margot Käßmann, sogar innerhalb der Union regt sich Widerstand. "Der Zustand unserer Gesellschaft wird hier deutlich", sagt Franz Meurer. Gegenüber domradio.de zeichnet der für seine Sozialarbeit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Kölner Pfarrer ein düsteres Bild.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

"Unsere Gesellschaft ist völlig krank", so Meurer, den der "Stern" einmal "Ghetto-Prediger" nannte. Der katholische Pfarrer leitet die Gemeinde Höhenberg-Vingst in Köln. Ein Arbeiterviertel, 23.000 Menschen leben hier, knapp 4000 davon von Sozialhilfe.

Der 58-Jährige sorgt sich um die Kinder. Vor allem sie würden nun darunter leiden, wenn beispielsweise der Heizkostenzuschuss gestrichen wird. Es bliebe dabei: Armutsrisiko Kind. Dass gespart werden muss, sehe er ja ein. "Nur muss es wieder die Schwächsten treffen?"

Das Sparpaket
Arbeitslose sind die großen Verlierer des am Montag (07.06.2010) verkündeten Sparpakets der Bundesregierung. Rund 30 Milliarden Euro will die Regierung bis 2014 aus dem Sozialbereich ziehen, Langzeitarbeitslose können sich auf allerlei Kürzungen einstellen.  

Hartz-IV-Empfänger verlieren ihren Anspruch auf Elterngeld, auf einen Heizkostenzuschuss und den Zuschuss zur Rentenversicherung.

"Die Menschen haben keine Erwartungen"
"Wie kann man nur die Rentenzahlungen einstellen?", fragt Meurer fassungslos. Doch mit großem Widerstand der Betroffenen rechnet er nicht - und verweist auf eine Wahlbeteiligung im einstelligen Bereich in manchen Teilen seiner Gemeinden bei vergangenen Wahlen. "Die Menschen hier haben keine Erwartungen." Ihnen ginge es vor allem darum, sich irgendwie über Wasser halten.

Hartz IV sei das Versprechen gewesen, dass kein Mensch überflüssig ist, sagte Meurer bereits Mitte Februar gegenüber domradio.de zur Sozialdebatte nach dem Karlsruher Hartz-IV-Urteil: "Geld ist wichtig, die neuen Regelungen sind auch gut, die neuen Überlegungen, was Kinder in der Schule brauchen, sind prima - aber wenn wir Christen nicht zusätzlich das Geschenk der Anteilnahme geben, dann geht es nicht voran."

"Das Gefühl gibt, unerwünscht zu sein"   
Eines Tages, erwartet er, werde es "knallen". Dann würden die Menschen ihrem Unmut Luft machen. Aber bis dahin werde es noch dauern - sagt er und muss los. Auf zur Lebensmitteltafel seiner Gemeinde.

Auch die sei eigentlich keine Lösung. Mann müsste es schaffen, dass die Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen. "Nur ist das schwierig, wenn man ihnen das Gefühl gibt, unerwünscht zu sein."