Der Karlstädter Kirchturm ist für zwei Wochen verpackt

Berlin, Paris, ... Karlstadt!

Zehn Schüler und ein Lehrer in Unterfranken haben eine verrückte Idee. Wenn Christo den Reichstag verhüllen konnte, warum nicht auch den örtlichen Kirchturm verpacken? Gesagt, getan - wobei: So einfach war es nicht.

Autor/in:
Christian Wölfel
Verhüllung des Kirchturms der Kirche "Zur Heiligen Familie", ein von Christo inspiriertes Kunstprojekt des Johann-Schöner-Gymnasiums (JSG) mit dem Titel "Wrapped Clock Tower", am 8. Oktober 2022 in Karlstadt.
 / © Christian Wölfel (KNA)
Verhüllung des Kirchturms der Kirche "Zur Heiligen Familie", ein von Christo inspiriertes Kunstprojekt des Johann-Schöner-Gymnasiums (JSG) mit dem Titel "Wrapped Clock Tower", am 8. Oktober 2022 in Karlstadt. / © Christian Wölfel ( KNA )

Der Reichstag in Berlin, der Arc de Triomphe in Paris und jetzt der Kirchturm der Heiligen Familie in Karlstadt: Seit dem Wochenende steht dank eines Lehrers sowie seiner zehn Schülerinnen und Schüler auch die unterfränkische Kleinstadt mit knapp 15.000 Einwohnern in den Annalen der Verhüllungskunst. Eine verrückte Idee ist vor einem guten halben Jahr Realität geworden: Zwei Wochen lang, bis zum 22. Oktober, ist der freistehende Glockenturm der Betonkirche aus den 1960er Jahren hinter weißen Plastikbahnen und roten Bändern verschwunden. Das Kunstobjekt trägt den Titel "Wrapped Clock Tower".

"Das Projekt stand immer wieder auf der Kippe", sagt Jochen Diel. Am Karlstädter Johann-Schöner-Gymnasium unterrichtet er Deutsch, Katholische Religionslehre, Kunst und Informatik. Und er bietet das Projektseminar "Wir verhüllen einen Kirchturm" an. Diel steht mit Arbeitshose, Arbeitshandschuhen und dicken Stiefeln auf dem Parkplatz vor der Betonkirche des berühmten Architekten Hans Schädel. Dazu trägt er wie auch seine Schüler einen gelben Schutzhelm und eine rote Warnweste, bedruckt mit dem Titel des Kunstprojekts. "Es war alles sehr sportlich."

Besondere herausfordernd: die Finanzierung

Ein bisschen Kirchturm verhüllen, das hört sich zunächst einfach an. Ist es aber nicht: Zwischen den ersten Entwurfszeichnungen und 3D-Modellen bis zur Verhüllung war es ein weiter Weg. Statiker mussten den rund 30 Meter hohen Kirchturm prüfen, genaue Maße waren ebenso notwendig wie das richtige Gerät. Die neue Drehleiter der örtlichen Feuerwehr jedenfalls hätte es allein nicht geschafft. Besonders herausfordernd: die Finanzierung.

Verhüllung des Kirchturms der Kirche "Zur Heiligen Familie", ein von Christo inspiriertes Kunstprojekt des Johann-Schöner-Gymnasiums (JSG) mit dem Titel "Wrapped Clock Tower", am 8. Oktober 2022 in Karlstadt.
 / © Christian Wölfel (KNA)
Verhüllung des Kirchturms der Kirche "Zur Heiligen Familie", ein von Christo inspiriertes Kunstprojekt des Johann-Schöner-Gymnasiums (JSG) mit dem Titel "Wrapped Clock Tower", am 8. Oktober 2022 in Karlstadt. / © Christian Wölfel ( KNA )

Bei etwa 20.000 Euro liegt die Kalkulation, wie Lehrer Diel berichtet. Allein 1.000 Quadratmeter Polypropylen-Gewebe musste her. Eine Firma, die den Stoff auch für die Aktion in Paris hergestellt hat, lieferte sie an. Das Material habe sie dabei gesponsert. Und auch das Konfektionieren auf die Turmmaße, das Nähen der Verstärkungen, die Schlaufen zum Aufhängen habe sie für das Schulprojekt in Karlstadt zum Sonderpreis übernommen.

Geld eingesammelt haben die Schülerinnen und Schüler von Sponsoren aus Karlstadt, aber auch von der Stiftung des früheren Würzburger Bischofs Friedhelm Hofmann, der örtlichen Raiffeisen-Stiftung oder der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Entscheidender Faktor aber: Statiker, Veranstaltungstechniker und Höhenkletterer haben ehrenamtlich mitgeholfen, das Projekt zu realisieren. Die meisten von ihnen sind selbst Karlstädter.

"Wahnsinnige Segelkraft"

So wie Julian Eichler und sein Bruder Christian. Für sie entscheidend: Wind und Thermik. Denn mal eben 30 Meter lange Stoffbahnen mit einem Kran und Hubsteiger an den Kirchturm anbringen - damit ist es nicht getan. Das merkt auch Diel. "Wenn man unten am Tuch hängt, merkt man, dass auch ein bisschen Wind wahnsinnig Segelkraft entwickeln kann." Deshalb machen alle Beteiligten Druck, die Stoffbahnen möglichst schnell an der eigens angebrachten Befestigungskonstruktion zu befestigen und die roten Haltebänder quer und längst zu fixieren. Zwischendrin regnet es dann noch, entgegen der Wetterprognose.

Doch am Ende des Tages ist auch das Kreuz auf dem Turm verhüllt. Was wollen die Schülerinnen und Schüler damit eigentlich aussagen? "Mit der Verpackung legen wir neu den Fokus auf den Kirchturm und wollen damit auch die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft darstellen", sagt Nele Reichert. Auch für sie persönlich sei der Bau in direkter Nachbarschaft zum Gymnasium bedeutend: Schließlich feiere man dort auch die Schulgottesdienste. Ganz freiwillig, wie Lehrer Diel betont.

Quelle:
KNA