Der "Heilige Laurentius" ist doch nicht von Caravaggio

Ende der Sensation

Es hätte die römische Kunstsensation des Sommers werden können: Pünktlich zum 400. Todestag Caravaggios hatte die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" einen bislang unbekanntes Bild des Barockmalers angekündigt - und lag damit daneben.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Das "Martyrium des Heiligen Laurentius" sollte es sein, im Besitz des Jesuitenordens und an unbekanntem Ort in Rom aufbewahrt. Die Nachricht enthielt zwar ein einschränkendes "Vielleicht", aber die Neugier war geweckt. Am Dienstag konnte ein kleiner Kreis von Kunsthistorikern und Journalisten das Gemälde erstmals in Augenschein nehmen. Der Ortstermin in der Kirche Il Gesu bestätigt, was bereits in den vergangenen Tagen Mehrheitsmeinung wurde: Ein solides Werk, aber kein Caravaggio.

Das Bild zeigt das Martyrium des heiligen Diakons und Verwalters der päpstlichen Kasse. Wegen seiner Weigerung, das für die Armen bestimmte Geld an den Kaiser herauszugeben, wurde er der Überlieferung nach im 3. Jahrhundert auf einem Rost verbrannt. Das Gemälde hält den Augenblick fest, wie ein Scherge den jungen Mann auf das Gitter stößt; ein anderer hält sich vor dem Brandgestank die Nase zu. Laurentius, liegend in einer extremen Körperdrehung, scheint sich aus der Glut herauswinden zu wollen.

Heiliger Laurentius

Laurentius soll auf einem Landgut in Osca, dem heutigen Huesca im Nordosten Spaniens geboren worden sein und eine gute Ausbildung genossen haben. Später soll er nach Rom gekommen sein. Dort war er einer von sieben Diakonen der römischen Gemeinde unter Papst Sixtus II.

Der heilige Laurentius in seiner Grabeskirche / © Martin Biallas (DR)
Der heilige Laurentius in seiner Grabeskirche / © Martin Biallas ( DR )

Es ist das dramatische Moment, genauer das merkwürdig abgespreizte linke Bein des Märtyrers, das die Experten an einer Urheberschaft Caravaggios zweifeln lässt. "Ein Froschbein", meint Rossella Vodret, Kunsthistorikerin von der römischen Museumsbehörde. Eine betagte Dame pflichtet ihr bei: "Caravaggio malte immer komponiert, immer elegant." Es ist Mina Gregori, in Italien die lebende Autorität schlechthin auf dem Feld der Caravaggio-Forschung. Ihr Urteil hat Gewicht. Und selbst wenn Michelangelo Merisi (1571-1610), genannt Caravaggio, Schöpfer des Bildes wäre, läge die größte Neuigkeit für sie darin, dass der lombardische Künstler Beziehungen zum Jesuitenorden unterhielt.

Sicher bekannt ist der Aufenthaltsort erst seit 1927
In dessen Besitz war das 1,83 mal 1,30 Meter große Gemälde aufgetaucht. Wo es genau herstammt, hält der Orden im Dunkeln; möglicherweise weiß er es selbst nicht. Sicher bekannt sei der Aufenthaltsort erst seit 1927, sagt der Rektor der Jesuitenkirche Il Gesu, Daniele Libanori. Vor ein paar Jahren gelangte es nach Rom, verstaubt, verrußt, nachgedunkelt bis zur Unkenntlichkeit. Aber es ähnelte einem Caravaggio, und "wir dachten, es ist eine Würdigung für ihn, wenn wir es reinigen lassen".

Als Sponsor fand sich die Italienische Bankenvereinigung. Wie viel sie in die mehrmonatige Restaurierung investierte, bleibt ein Geheimnis. Ursprünglich habe man geplant, so Jesuiten-Sprecher Giuseppe Bellucci, das Gemälde nach einer Untersuchung durch Sachverständige erst im September zu präsentieren. Ein paar Leute durften den Heiligen Laurentius allerdings schon vorab sehen. Zum Beispiel Lydia Salviucci, Verwandte eines römischen Jesuitenpaters. Salviucci arbeitet für den "Osservatore Romano". Dass dort am 18. Juli ihr Caravaggio-Scoop erschien, "war nicht unsere Absicht und hat uns auf dem falschen Fuß erwischt", sagt Pater Libanori.

Vermutlich nur die "mäßige Kopie" eines verlorenen Originals
Am Tag der Präsentation ruderte auch der "Osservatore" zurück: Kein Geringerer als der Direktor der Vatikanischen Museen, Antonio Paolucci, sprach dem Werk die nötige Qualität ab. Fehler in der Perspektive, eine teils plumpe Anatomie - vermutlich nur die "mäßige Kopie" eines verlorenen Originals, schreibt Paolucci in der Dienstagsausgabe der Vatikanzeitung. Aber selbst dieser These eines verschollenen echten Caravaggio widerspricht Gianni Papi, Kurator der laufenden Caravaggio-Ausstellung in Florenz: Dass Merisi einen gemarterten Laurentius gemalt habe, dafür gebe es keinerlei Berichte. Für Papi handelt es sich um die eigenständige Schöpfung eines Caravaggio-Nachfolgers, vermutlich aus Sizilien oder Malta.

Das allgemeine Publikum soll das Bild ab dem Herbst sehen dürfen - wann genau und wo, ist noch offen. Das dichte Bildprogramm von Il Gesu lasse eine weitere Hängung nicht zu, so der Rektor. Man werde sicher einen Ausstellungsplatz in unmittelbarer Nähe finden. Eine Veräußerung des "San Laurenzio" schließt Libanori aus: "Kulturgüter verkauft man nicht." Und das unabhängig vom möglichen Erlös: Der Unterschied zwischen einem Caravaggio und einem "Caravaggiesco" liegt laut einem Kunstmarkt-Kenner bei drei Nullen im Preis.