Der evangelische Bundespräsidentenkandidat im Katholischen Zentrum

Team Gauck startet durch

Joachim Gauck ist Dauerthema: Medien spekulieren, wie er das Bundespräsidialamt nach seiner Wahl besetzen wird. Parteivorstände laden zu Fototerminen mit ihm. Im Katholischen Zentrum, wo Gauck bis zur Wahl ein Büro hat, herrscht dagegen Ruhe.

Autor/in:
Corinna Buschow
 (DR)

Von Aufregung um den designierten Bundespräsidenten ist im Katholischen Zentrum in Berlin-Mitte am Montagmorgen nichts zu spüren. Der Hof um Akademie und Katholisches Büro ist menschenleer, an den Rezeptionen geht es ruhig zu, keine Fans, keine Fotografen. Noch weist nicht einmal ein Klingelschild auf Joachim Gauck hin.



Für den 72-Jährigen stehen am Montagvormittag Fototermine mit den Parteivorständen von CDU, SPD und Grünen auf dem Programm. Eine Woche nach der Präsentation des aussichtsreichen Kandidaten geht für Gauck und sein Team die Arbeit los.



Wer zum Stab gehört, zeichnet sich immer klarer ab. Seit dem Wochenende scheint sicher, dass der Kirchenbeamte David Gill neuer Chef des Bundespräsidialamts wird. Der Jurist ist Oberkirchenrat in der Hauptstadtvertretung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Sozialdemokrat und war erster Pressesprecher der Stasi-Unterlagen-Behörde, die damals von Gauck geleitet wurde. Gill ist bereits jetzt Mitglied im Team Gauck, er hat auch das Büro beschafft.



"Pragmatische Entscheidung"

Es sei eine "rein pragmatische Entscheidung gewesen", sagt der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten. Gaucks Stab suchte Büroräume, im Katholischen Zentrum war sie vorhanden. Gauck selbst sei aber nur selten da. Auf die Frage, ob die Stimmung im Haus nun aufgeregter sei, antwortet der Kirchendiplomat trocken: "Nö". Nur die Presseanfragen nähmen nun zu. Und natürlich sei es schön, diesen Kandidaten im Haus zu haben, sagt Jüsten.



Wie bereits bei der Präsidentschaftskandidatur 2010 befindet sich Gaucks Büro inmitten geschichtsträchtiger Orte. Damals mietete er sich im wenige hundert Meter entfernten Hotel Dietrich-Bonhoeffer-Haus ein - ein traditionsreiches Gebäude der evangelischen Kirche. Dort tagte 1989/90 auch der zentrale Runde Tisch der DDR und bereitete die Volkskammerwahlen vor, aus denen Gauck als Abgeordneter hervorging und seine Karriere als Herr über die Stasi-Unterlagen begann.



Die ersten und einzigen freien Volkskammerwahlen fanden am 18. März 1990 statt. Auch die voraussichtliche Wahl Gaucks zum Bundespräsidenten ist auf den 18. März terminiert. In den drei Wochen bis zu diesem Datum, soviel scheint klar, wird es außer Besuchen bei den Parteien wohl kaum noch öffentliche Auftritte Gaucks geben.



Gelassen im Bonhoeffer-Haus

Wenn Gauck aber auftaucht, geht es schon jetzt präsidial zu - wie am Freitagabend bei einer lange geplanten Lesung in Fürth. Nicht mehr mit dem Taxi kam Gauck dort vorgefahren, sondern ganz staatsmännisch in schwarzer Limousine und mit Polizeischutz. Fast bescheiden wirkt dagegen sein gegenwärtiger Wohnsitz im Südwesten von Berlin - nur wenige Schritte vom Volkspark Wilmersdorf und vom Rathaus Schöneberg entfernt, wo US-Präsident John F. Kennedy 1963 seine berühmte Rede hielt, in der er bekannte, "ein Berliner" zu sein.



Auch Gauck ist "Berliner" und die Freiheit der Menschen sein großes Thema. Von Katholischen Zentrum aus kann er nun auf die ehemalige Ständige Vertretung der Bundesrepublik in der DDR blicken -

1989 Anlaufstelle für Massen von Menschen, die ausreisen wollten. In einem Eckhaus in der Nachbarschaft wohnte der 1976 aus der DDR ausgebürgerte Liedermacher Wolf Biermann.



Zwar melden sich in Stellungnahmen und Zeitungsinterviews inzwischen auch Weggefährten aus der Wendezeit zu Wort, die Gauck den Status des DDR-Bürgerrechtlers absprechen wollen. Gauck sei erst 1989 auf den fahrenden Zug der Oppositionsbewegung aufgesprungen, moniert etwa Hans-Jochen Tschiche, Pfarrer und langjähriger Grünen-Politiker aus Sachsen-Anhalt. Beiden zogen im März 1990 für das Neue Forum in die DDR-Volkskammer ein. Doch die hohe Reputation, die Gauck landauf landab genießt, scheint diese Kritik nicht anzukratzen.



Im evangelischen Bonhoeffer-Haus nimmt man derweil die Entscheidung des Gauck-Teams gelassen, sich dieses Mal im Katholischen Zentrum niederzulassen. "Wir haben ihn ja damals auch kaum bemerkt", sagt Gabriele Thiel am Empfang mit Blick auf den "Präsidentschaftswahlkampf", als Gauck in der Bundesversammlung erst im dritten Wahlgang Christian Wulff unterlag. "Nur die letzten beiden Tage vor der Wahl war richtig was los", erinnert sie sich.