Der Essener Caritasverband und sein besonderes Engagement für den Irak

Fast vergessenes Krisenland

Es ist Teil eines Abkommens: Bis 2014 nimmt Deutschland jedes Jahr 300 Flüchtlinge aus Nahost auf, darunter viele Christen. Nun landet wieder eine Gruppe, mit Menschen aus dem Irak. Dass hier viele Hilfe benötigen, weiß ein Caritas-Mann genau.

Autor/in:
Joachim Heinz
Iraker kommen in Deutschland an (dpa)
Iraker kommen in Deutschland an / ( dpa )

Er organisierte in den 80er Jahren Hilfstransporte ins kommunistische Polen, als darüber nur wenige nachdachten. Er kümmerte sich um Tschernobyl-Opfer in der Ukraine, als die Atomkatastrophe schon wieder in Vergessenheit geriet, und er unterstützte Waisenkinder in Rumänien, die ein Schattendasein am Rande der Gesellschaft fristeten. Rudi Löffelsend vom Caritasverband des Bistums Essen hat, so scheint es, ein untrügliches Gespür für jene Menschen, deren Not nicht mehr im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit steht - und die dennoch auf Hilfe angewiesen sind. Seit 2010 ist der einstige Auslandsreferent und Pressesprecher im Ruhestand - aber so ganz lässt ihn sein alter Job dann doch nicht los.

Als Irak-Beauftrager hält der 63-Jährige die Kontakte in das krisengeschüttelte Land aufrecht, das aufgrund der Probleme in anderen Ländern der Region, allen voran Syrien, nicht mehr so oft in den Schlagzeilen auftaucht. Es sind Kontakte, die im Zuge des Irak-Kriegs 2003 zustande kamen, als viele Angehörige der christlichen Minderheit der Chaldäer Zuflucht im Bistum Essen fanden. "Die haben uns immer wieder gesagt: 'Tut was für den Irak.'", erinnert sich Löffelsend. Seit 2007 engagiert sich die Essener Caritas - als bundesweit einziger Diözesancaritasverband. Mehr als zehnmal war Löffelsend bislang im Irak.

"Frieden erst nach neuem Krieg"

Vor Kurzem besuchte er zusammen mit der Journalistin Sonya Winterberg den Norden des Landes, in dem auch die Autonome Region Kurdistan liegt. Die Reise begann im Mai, am Ende eines Monats, der zu den blutigsten der jüngeren Vergangenheit gehört. "Mehr als 1.000 Menschen wurden im Mai gewaltsam getötet", berichten Winterberg und Löffelsend. Dennoch sei die Autonome Region ein "Hort der Stabilität" inmitten einer chaotischen Umgebung.

Shwan Taha, oppositioneller Parlamentarier aus Bagdad, fasst zusammen: "Die Lage außerhalb Kurdistans verschlimmert sich seit Monaten. Ich glaube fest daran, dass wir eines Tages wieder Frieden im ganzen Land haben werden - aber erst nach einem neuen Krieg." In der irakischen Hauptstadt wagt sich der Politiker nur in Begleitung mehrerer Bodyguards aus der "«Grünen Zone" des Regierungsviertels. In Kurdistan, wo es seit 2007 keine Anschläge mehr gegeben hat, kann er sich frei bewegen.

Nötig ist langfristige Unterstützung

Trotzdem: Große Probleme gibt es auch hier. Und die resultieren aus dem Bürgerkrieg im benachbarten Syrien. "Die fünf Millionen Einwohner Kurdistans, die für ihre Kultur der Gastfreundschaft bekannt sind, haben im vergangenen Jahr klaglos mehr als 140.000 Flüchtlinge aus dem Konflikt aufgenommen", erläutern Winterberg und Löffelsend. Auch der Strom der Binnenflüchtlinge aus dem Südirak reißt nicht ab. Viele landen zunächst in der Hauptstadtprovinz Erbil, wie Gouverneur Nawzad Hadi Mawlood berichtet: "Unsere Stadt platzt aus allen Nähten."

Das Gleiche gilt für die Flüchtlingslager. Davon konnten sich Winterberg und Löffelsend ein Bild im Lager Domiz in Erbils Nachbarprovinz Dohuk machen. Das ursprüngliche Fassungsvermögen sei für 8.000 Bewohner ausgelegt gewesen, so Löffelsend. Im Juni 2012 lebten dort 12.000 Menschen, im November waren es schon 50.000, und jetzt sind es 80.000. "Da fehlt es einfach an allem", fasst der Caritas-Mann zusammen, der diesmal Windeln, Seife, Babypuder, Milchpulver und Protein-Kekse für die Kleinsten im Wert von rund 50.000 Euro "im Gepäck hatte".

"Aber all das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Löffelsend. Viel wichtiger sei eine langfristig wirksame Unterstützung. Dass es daran immer noch fehlt, ist für den erfahrenen Katastrophenhelfer der eigentliche Skandal. Die Autonome Region Kurdistan werde mit dem Flüchtlingsproblem komplett allein gelassen. "Außer 'Ärzte ohne Grenzen' zeigt keine andere große Hilfsorganisation Präsenz. Nicht aus Deutschland, nicht aus anderen Ländern - und übrigens auch nichts von muslimischer Seite oder der Zentralregierung in Bagdad." Löffelsend will mit seinen Mitteln dafür sorgen, dass sich daran etwas ändert - auch wenn die Öffentlichkeit längst schon wieder auf die nächsten Krisenherde schaut.


Quelle:
KNA