Patricia ist noch ganz ergriffen: "Er hat mir über die Wange gestreichelt", sagt die Seligenstädterin, und hat dabei Tränen in den Augen. Extra einen Tag Urlaub hat sie genommen, um "Seine Heiligkeit, den XIV. Dalai Lama" zu sehen - und nun das: Ganz nah stand der Dalai Lama für mehrere Minuten vor ihr, streichelte ihre Wange und hielt ihre Hand.
"Er hat so eine Energie und so eine tolle Ausstrahlung", schwärmt sie: "Er ist einfach eine einzigartige Persönlichkeit."
Eine große Ehre für Seligenstadt
So wie Patricia ging es den meisten der rund 1.000 Zuschauer, die am Montagvormittag ins ehemalige Benediktinerkloster nach Seligenstadt gekommen waren. Einmal den Dalai Lama sehen, und das in dem kleinen Ort am Rande des Rhein-Main-Gebietes. "Der Dalai Lama hier - abgefahren", sagt eine Zuschauerin. "Ich finde es toll, was er tut, und ich bewundere, dass er das durchhält", bekundet Carmen Goßmann, die aus Aschaffenburg gekommen ist.
Er strahle Ruhe und Friedfertigkeit aus und akzeptiere alle Religionen und alle Völker, schwärmt eine weitere Zuschauerin - eine Tibetflagge in der Hand. Eine große Ehre sei der Besuch, stimmt die Erste Stadträtin von Seligenstadt, Claudia Bicherl (CDU), ein, seine große Ruhe das Besondere. "Wenn jeder etwas gelassener wäre, hätten wir keinen Krieg und keinen Ärger", zeigt sie sich überzeugt.
China protestierte in Staatskanzlei und Landtag
Ein "Freund Hessens" sei der Dalai Lama, sagt denn auch Bouffier: Der Gast stehe weltweit für Gewaltlosigkeit und sei "eine Persönlichkeit, die in der ganzen Welt Menschen bewegt und der ein Vorbild ist in seinem gewaltlosen Kampf für die religiöse und autonome Eigenständigkeit des tibetischen Volkes", betont Bouffier.
Um 11.17 Uhr ist es dann so weit: Schwarze Limousinen rollen in den alten Klosterhof, eine kleine Gestalt in rot-orangenem Gewand steigt aus, Beifall brandet auf. Vorsichtig tastend sucht sich der 76-Jährige den Weg über das unebene Pflaster, stellenweise fest die Hand von Bouffier und dessen Frau haltend.
Anfang August hat der Dalai Lama die weltlichen Geschäfte an einen neuen Regierungschef abgegeben, doch ist er noch das geistliche Oberhaupt der Tibeter. Von seinem Exil im indischen Dharamsala aus hat er Jahrzehnte für die Freiheit und die Autonomie seines Volkes gekämpft.
"Übliche Unmutsäußerungen"
"Er ist für uns ein Symbol", sagte der tibetische Radioreporter Tsewang Norba von Radio Free Asia. Er schätze den Dalai Lama sehr - auch wenn er politisch nicht mit ihm einer Meinung sei: "Er ist für Autonomie, ich bin für Unabhängigkeit", sagt Norba.
Die chinesische Regierung, die Tibet besetzt hält, sieht Besuche des tibetischen Oberhauptes in Deutschland nur ungern: Vor dem Besuch hatte der chinesische Generalkonsul in der Staatskanzlei und im Landtag protestiert. Viel Eindruck machte das offenbar nicht: Es seien "die üblichen Unmutsäußerungen" gefallen, heißt es aus der Staatskanzlei.
"Geld wird Euch nicht die wahre Befriedigung geben"
Es sei durchaus möglich, "enge Beziehungen zu den Menschen von Tibet zu haben und zugleich gute Beziehungen zu China", unterstreicht Bouffier am Montagnachmittag in der Frankfurter Universität. Auf seiner zweiten Besuchsstation hält der Dalai Lama dort eine kurze Rede über Moral und innere Werte und schreibt den Studierenden der Goethe-Universität in ihr Lehrbuch: "Geld wird Euch nicht die wahre Befriedigung geben."
In Seligenstadt hatte der Dalai Lama nach seinem Besuch des Klostergartens die Ruhe und den Frieden der Anlage gepriesen: "Beautiful", wunderschön, sagte er, und warf den Zuschauern gut gelaunt Kusshände zu, schüttelte Hände und Kinder wie auch begeisterte Erwachsene. "Er ist ein Hoffnungsträger, er gibt die Hoffnung nicht auf, obwohl er so viel Schlimmes erlebt hat", sagt Karin Burkholder beeindruckt. Vom Leid habe er gesprochen, und hinzugefügt: "Auf lange Sicht wird die Gerechtigkeit siegen."