Stationen der musikalischen Reise im Rahmen des Rheingau-Musik-Festivals sind die barocke Christophoruskirche in Wiesbaden-Schierstein, die Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt in Hallgarten und die romanische Basilika St. Aegidius in Mittelheim. Mit von der Partie sind die israelische Cembalistin Tamar Halperin, das Instrumentaltrio Accademia Bizantina und das Vokaltrio White Raven. Einzeln und gemeinsam werden sie Kostproben Alter Musik zu Gehör bringen.
Für Andreas Scholl ist die Tour durch die Gotteshäuser ein Heimspiel. Gebürtig aus dem nahe gelegenen Kiedrich, wo er in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche aufwuchs, durchlebte er seine musikalische Sozialisation bei den Kiedricher Chorbuben, einem Knabenchor, der, spezialisiert auf Gregorianische Musik, in seinen Ursprüngen bis in das Jahr 1333 zurückreicht. Bereits mit sieben Jahren begann Scholl dort seine musikalische Ausbildung.
Zeitweise sangen mehrere Generationen der Familie Scholl gleichzeitig in dem Chor. Seine Schwester Elisabeth, heute eine bekannte Sopranistin, war seinerzeit das erste Mädchen im Knabenchor. Mit Kirchen und Geistlicher Musik kennt sich die Familie Scholl also aus. Von Kiedrich hinaus in die Welt: Als sich abzeichnete, dass Andreas Scholl seine Kopfstimme über den Stimmbruch hinaus halten könnte, durchlief er eine musikalische Ausbildung zum Counter-Tenor an der Schola Cantorum Basiliensis.
Einer der berühmtesten seines Fachs
Counter-Tenöre können über Atemtechnik und Stimmbildung so hoch wie Frauen singen, was immer wieder für Erstaunen sorgt. Sie übernehmen heute die musikalischen Rollen, die einstmals für Kastraten geschrieben wurden - zu Zeiten, als Frauen nicht auf der Bühne auftreten durften. Sind auch im Moment Counter-Tenöre ganz groß in Mode und mittlerweile reich an Zahl, so gehört Scholl zu den berühmtesten seines Faches. Er gibt auf der ganzen Welt Konzerte. An diesem Wochenende kehrt er mit den Musikern für sein Publikum zu seinen Wurzeln zurück.
Nach der Tour wird er am Sonntagabend gemeinsam mit seiner Schwester Elisabeth ein Konzert in der Basilika des Klosters Eberbach geben. Die beiden werden dort ihre Lieblingslieder aufführen. Auch dieser Ort birgt Erinnerungen: Vor rund dreißig Jahren wurde im Kloster Eberbach der Film "Der Name der Rose" gedreht, in dem Sean Connery die Hauptrolle als Mönch William von Baskerville spielte. Der junge Andreas Scholl wirkte damals zusammen mit einigen Chorbuben als Statist mit.
Seitdem hat er es weit gebracht und übernimmt am kommenden Sonntagabend die Hauptrolle, zusammen mit seiner Schwester. Ein weiteres Heimspiel für die Familie Scholl.
Der Countertenor Scholl kehrt zu seinen musikalischen Wurzeln zurück
Heimspiel in der Kirche
Sommerzeit ist Festivalzeit. Musikliebhaber drängen ins Grüne, um Sonne und Musik gleichzeitig zu erleben, wenn es denn das Wetter zulässt. Der international berühmte Countertenor Andreas Scholl geht den umgekehrten Weg - der 43-Jährige konzertiert heute in drei verschiedenen Kirchen.
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