Eine Orgel aus Bonn für die Biennale

Klänge nur mit Geheimzahl

Anstelle einer konventionellen Spielanlage ein Geldautomat. Klänge, wenn ein kunstbeflissener Besucher seine Bankkarte in den Automaten steckt: Die Orgel der Bonner Werkstatt Klais für eine Installation auf der Biennale in Venedig ist außergewöhnlich.

Autor/in:
Guido Krawinkel
 (DR)

Konzipiert wurde die Installation "Algorithm" von dem Künstlerpaar Jennifer Allora und Guillermo Calzadilla. Beide wurden dazu auserkoren, in diesem Jahr den amerikanischen Pavillon zu bespielen. "Gloria" heißt ihr Konzept, das sich mittels beißender Ironie kritisch mit dem Verhältnis von Kunst, Kommerz und Gesellschaft auseinandersetzt. Vor dem Pavillon etwa liegt ein auf den Kopf gedrehter Panzer, auf dessen Ketten ein von Athleten auch regelmäßig benutztes Laufband steht.



Der Kontakt zu Allora und Calzadillakam kam über eine Pariser Agentur zustande, die Künstler bei der technischen Realisierung ihrer Projekte berät. "Das ist manchmal relativ komplex. Auch einen tonnenschweren Panzer nach Venedig zu bewegen, ist ja nicht so einfach", sagt Philipp Klais, Chef des seit 1882 bestehenden Traditionsbetriebes.



Die Realisierung des Orgel-Projekts stellte die Bonner Firma Klais vor zum Teil ungewohnte Herausforderungen. So konnte das Signal des Automaten aus Sicherheitsgründen nicht einfach ausgelesen werden; man musste zu einem Trick greifen. "Der Computertechniker musste zusätzliche Lichtschranken einbauen, die lediglich registrieren, wenn eine Karte eingesteckt wird und Tasten gedrückt werden. Die Lesen nicht die Magnetkarte, sondern bekommen nur ein einfaches Signal", erläutert Klais. Obwohl Orgelbauer heutzutage auch moderne technische Komponenten in ihre Instrumente einbauen, mussten sie erst mal Lehrgeld bezahlen. "Diese Geldautomaten sind heikler als man denkt. Bei den Arbeiten hier sind zwei Exemplare kaputt gegangen, weil sich gewisse Komponenten selbst zerstören, sobald man sie manipuliert."



Schlangen sind die Regel

Für Klais kommen in dieser Installation mehrere Dinge zusammen. "Zum einen wird gezeigt, dass es eine Verbindung zwischen bildenden Künsten und Kommerz gibt - nur, dass die Verbindung hier konterkariert und symbolhaft überzogen dargestellt wird." Außerdem werde die Orgel, die sonst in der Kirche auf einem hohen Thron steht, hier in die Niederungen des Alltags heruntergeholt. Als Orgelbauer schätzten sie dies - "weil wir wollen, dass Orgeln zugänglich sind, dass Orgeln auf Menschen zugehen und genau da sind, wo Menschen sind. Und Menschen sind nun mal am Geldautomaten."



Berührungsängste hatte Klais, der schon oft mit international renommierten Künstlern zusammengearbeitet hat, nach eigenem Bekunden nicht: "Ich glaube, dass man nur im Austausch mit anderen Künsten weiterzukommen vermag. Um Visionen zu entwickeln, brauchen wir auch Anregungen von außen." Die Reaktionen der Menschen auf dieses ungewöhnliche Projekt seien gigantisch gewesen. "An diesem Automaten wird das Dreifache der üblichen Menge an Geld gezogen, das an einem normalen Geldautomaten an einem sehr populären Platz mitten im Zentrum einer großen Stadt üblicherweise gezogen wird", so der Orgelbauer.



Mehrmals täglich muss der Automat neu bestückt werden, Schlangen davor sind die Regel. Und jedes Mal, wenn der Geldautomat nach Eingabe der Geheimzahl in Aktion tritt, schallen Ausschnitte aus den rund 500 musikalischen Sequenzen durch die Gänge, die der Komponist Jonathan Bailey beigesteuert hat. "Es ist natürlich auch etwas, das die Menschen zum Schmunzeln bringt. Ich glaube, dass gute Kunst auch die Eigenschaft hat, Lebensfreude auszustrahlen", sagt Klais und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.