Der begrenzte Einfluss der USA in Libyen

Ohne Gehör

Als libysche Sicherheitskräfte am Montag mit massiver Gewalt gegen Demonstranten in der Hauptstadt Tripolis vorgingen, mussten sich die USA mit einer traurigen Erkenntnis abfinden: Anders als in Ägypten oder Tunesien haben sie in Libyen fast überhaupt keinen Einfluss.

Autor/in:
Mary Beth Sheridan
 (DR)

US-Außenministerin Hillary Clinton hat das Vorgehen gegen die Protestbewegung mehrfach scharf kritisiert. Unter der Hand räumen Mitarbeiter des Weißen Hauses jedoch ein, dass sich die Machthaber in Tripolis wohl kaum von Aufrufen oder Drohungen aus Washington beeindrucken lassen werden.



Über viele Jahrzehnte galt der libysche Herrscher Muammar el Gaddafi in den USA als Geächteter, als unberechenbarer Tyrann, der weltweit terroristische Gruppen unterstützte. Militärische Kontakte gibt es praktisch keine, auch der wirtschaftliche Einfluss auf das ölreiche nordafrikanische Land ist äußerst begrenzt. Erst im Jahr 2008 wurden überhaupt offizielle diplomatische Beziehungen aufgenommen.



"Wir haben keine persönlichen Verbindungen auf höherer Ebene. Soweit ich weiß, hat Präsident Barack Obama noch nie mit Gaddafi gesprochen", sagt David Mack, ein früherer US-Diplomat, in dessen Arbeitsbereich auch Libyen fiel. Obama behält sich eigenen Angaben zufolge "alle notwendigen Maßnahmen" vor, falls die Situation weiter eskalieren sollte. Über den Stand der Entwicklungen kann sich aber auch der US-Präsident nur indirekt über seinen Sicherheitsberater Thomas Donilon ein Bild machen.



US-Botschafter wurde zurückgerufen

Nicht einmal die erst vor Kurzem eingerichtete amerikanische Botschaft in Tripolis ist derzeit besetzt. Botschafter Gene Cretz musste kürzlich zu umfassenden "Beratungen" zurückgerufen werden, nachdem die Internet-Plattform Wikileaks geheime Dokumente veröffentlich hatte, in denen Cretz sich wenig schmeichelhaft über exzentrische Eigenarten Gaddafis ausließ.



UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der am Montag immerhin persönlich mit Gaddafi telefonieren konnte, drückte seine "tiefe Besorgnis über die eskalierende Lage" aus und forderte den libyschen Machthaber einer Mitteilung zufolge zu einem sofortigen Ende der Gewalt auf. Politische Beobachter gehen jedoch davon aus, dass auch der Einfluss der Vereinten Nationen im Fall Libyen nur gering ist. Das Land verfüge über einen derartigen Ölreichtum, dass Aufrufe zu Sanktionen kaum Beachtung fänden.



Auch Menschenrechtler sind skeptisch

Nicht zuletzt viele Menschenrechtsgruppen fordern deutlichere Worte - von den USA wie von den Vereinten Nationen. Doch auch sie sind sich der Grenzen des Einflusses bewusst. "Ehrlich gesagt gehe ich davon aus, dass unsere Regierung gar nicht über die notwendigen Kanäle verfügt, um sich beim Regime in Libyen Gehör zu verschaffen", sagt Sarah Leah Whitson von der in New York ansässigen Organisation Human Rights Watch.



Das diplomatische Personal der USA kann sich in Libyen nicht einmal frei im Land bewegen - etwa um Berichte über Ausschreitungen zu überprüfen. Da keine ausländischen Journalisten zugelassen werden und zudem seit Tagen die Internetverbindungen gekappt sind, ist die Informationslage selbst für Insider äußerst schwierig. So ist an ein konstruktives Eingreifen derzeit kaum zu denken, wie ein Sprecher des US-Außenministeriums unter der Hand bestätigt. "Schwerpunkt der Arbeit unserer Botschaft ist derzeit die Evakuierung der noch im Land befindlichen US-Bürger."