Papst Franziskus feiert Ostern mitten in der Corona-Krise

Der alte Mann und das Kreuz

Das christliche Hochfest Ostern kündet von Auferstehung, aber über der Stadt Rom lastet die Sorge vor der Pandemie. Das Virus stellt das Kirchenoberhaupt und seine Botschaft vor eine fast beispiellose Herausforderung.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Papst Franziskus hält ein großes Holzkreuz und betet den Kreuzweg / © Cristian Gennari (KNA)
Papst Franziskus hält ein großes Holzkreuz und betet den Kreuzweg / © Cristian Gennari ( KNA )

Rom erlebt ein ungewöhnliches Osterfest. Sonst dicht bevölkert von Pilgern und Reisenden aus aller Welt, atmet das historische Zentrum dörfliche Verschlafenheit. Spatzen tschilpen, hinter Fensterläden in einem Obergeschoss klappert Geschirr.

Die Auslagen der Luxusboutiquen an der Spanischen Treppe: verrammelt oder leergeräumt. Wenige Kirchen sind geöffnet, darin einzelne Beter mit Mundschutz. Die Prozessionen der Fastenzeit - "die machen wir jetzt jeden Tag", sagt Salvatore, Mitarbeiter in einem Feinkostgeschäft.

Ein permanenter Bußgang für den Einzelhandel. Und während die frommen Massen ausbleiben, sucht Papst Franziskus desto stärkere Gesten.

Franziskus predigt den Vögeln

Der Vatikan hat alle öffentlichen Zeremonien abgesagt. Früher schufen niederländische Blumenzüchter vor dem Petersdom eine blühende Kulisse für die Papstmesse und den Segen "Urbi et orbi". Nun sorgt Mutter Natur für den Osterschmuck auf dem verwaisten Platz. Wo zu normalen Zeiten Herden von Touristen keinen Grashalm wachsen lassen, sprosst jetzt zartes Grün zwischen den Pflastersteinen. Möwen und Tauben erobern sich das Rund als Habitat. Franziskus predigt den Vögeln.

Die Katholiken der Stadt und auf dem Erdkreis können ihr Oberhaupt derzeit nur im Fernsehen oder Livestream sehen. Die Gottesdienste der Kar- und Ostertage verlegte Franziskus in den Westarm der riesigen Petersbasilika. Eine Handvoll Ordensfrauen, Geistliche und Laien in getrennten Bänken repräsentieren das Gottesvolk, die Gemeinschaft von 1,3 Milliarden katholischen Christen. Fast ständiger Begleiter des Papstes ist diese Tage ein mittelalterliches Kruzifix aus der römischen Kirche San Marcello, das seit der Pest 1522 besonders verehrt wird. Vor zwei Wochen ließ er es in den Vatikan holen.

An Gründonnerstag feierte der Papst das Gedenken des Letzten Abendmals Jesu vor diesem Kreuz. Es ist ein Tag, der sozusagen an das Berufsethos von Priestern erinnert, und Franziskus sprach von denen, die wie Ärzte und Pfleger in der Corona-Krise ihr Leben ließen. Die "Heiligen von nebenan" nannte er sie. "Heute seid ihr Mitbrüder im Priesteramt alle mit mir am Altar."

Noch deutlicher verglich er Karfreitag die Helfer gegen die Pandemie mit "Gekreuzigten, die um der Liebe willen sterben". Er sagte das bei einem Anruf in einer Livesendung des italienischen Fernsehens. Die Hoffnung, ergänzte er, "nimmt nicht den Schmerz weg, aber sie enttäuscht nicht". Abends betete er den Kreuzweg auf den Stufen des Petersdoms. Mitarbeiter eines Gefängnisses in Padua und des vatikanischen Gesundheitsamtes schritten die Stationen des Leidens Jesu ab, Fackelschalen markierten den Weg auf dem verlassenen Platz.

Trost und Mahnung zu Solidarität

Die Botschaften aus dem Vatikan zu diesem Osterfest kreisen um Trost und Mahnung zu Solidarität. In der Linie der Segensfeier vom 27. März, als Franziskus einsam auf dem Petersplatz für die Corona-Betroffenen betete, betonte auch sein Hausprediger Rainiero Cantalamessa am Karfreitag: Die Pandemie ist keine Geißel Gottes, und kein wundersamer Eingriff aus dem Himmel wird sie stoppen.

Für Cantalamessa ist das Virus eine Laune der Natur, die menschliches Allmachtsdenken als Illusion entlarvt. Und die Antwort des Kapuziners auf die Not lautet nicht einfach mehr beten, sondern anders leben: Die globale Krise, so die These, kann nur mit globalem Zusammenhalt bewältigt werden; mit gerechterer Güterverteilung, besserer Gesundheitsvorsorge, ökologischem Wirtschaften. Die schlimmste Rezession, so Cantalamessa, wäre ein Rückschritt in der Solidarität der vergangenen Wochen.

Kreuzverehrung

Eines der eindringlichsten Bildmotive dieser Osterfeiern bot die Kreuzverehrung am Karfreitag. Der Papst pflegt dann eine Figur des gekreuzigten, geschundenen Jesus der Welt zu zeigen, ein Zeichen, das Betroffenheit auslösen und Zuversicht schenken soll. Üblicherweise verwendet man dafür ein geeignetes, also nicht zu großes Kruzifix.

Jetzt trat Franziskus zu dieser Geste hinter das Pestkreuz von San Marcello; absurd die Vorstellung, ein 83-jähriger Mann könnte den vier Meter hohen, mit Eisenbändern beschlagenen Kreuzesstamm samt dem überlebensgroßen Corpus aus der Verankerung heben. Mehr als alles zeigt das, welches Gewicht in diesen Tagen für Franziskus Leid und Hoffnung haben.


Quelle:
KNA