100 Jahre Historisches Archiv des Erzbistums Köln

Den zukünftigen Generationen verpflichtet

Das Historische Archiv des Erzbistums Köln ist eines der größten kirchlichen Archive in Deutschland. Es bewahrt kirchenrelevante Archivgüter, die weit über die Grenzen des Erzbistums Köln von Bedeutung sind. Unabhängigkeit ist sein Markenzeichen.

Archiv (Symbolbild) / © vural yaves (shutterstock)

Am 15. August 1921 begann der erste Direktor des Historischen Archivs, Pfarrer Dr. phil. Friedrich Wilhelm Lohmann, seine Arbeit. Die Gründung des Archivs initiierte der damalige Kölner Erzbischof Karl Josef Kardinal Schulte. Er setzte ein Gebot des Kirchenrechts aus dem Jahr 1917 um, dass die Bischöfe weltweit verpflichtete, ein sicheres und funktionierendes Archiv einzuführen. Dieses Gebot fiel beim Kölner Kardinal auf fruchtbaren Boden, erklärt Dr. Ulrich Helbach, Leiter des Historischen Archivs: “Schon als Student in Bonn war er mit dem als charismatisch empfundenen Professor Schroers in Kontakt gekommen und hatte Feuer gefangen für die Geschichte.” Und so kamen die irgendwo in der Registratur des Generalvikariats gelagerten Akten an einen zentralen Ort, um fachgerecht archiviert, erforscht und geschützt zu werden.

Der voraussichtigen Initiative der Archivhüter ist es dann auch zu verdanken, dass rechtzeitig und planmäßig vor den Bombenangriffen auf Köln im Zweiten Weltkrieg große Bestände an Archivgütern nach Westfalen ausgelagert und gesichert werden konnten. “Es hat also fast alles überlebt, auch die Dokumente aus den Pfarrarchiven der Kölner Innenstadt, die die Klöster- und Stiftsarchive aufbewahrt haben. Dieses Pfund der Überlieferung wäre ohne den Einsatz der Archivare sehr wahrscheinlich weitestgehend verloren gegangen,” so Helbach.

Archivgüter mit kirchlicher Relevanz

Hunderttausende Dokumente lagern in den kilometerlangen Archivgängen des Historischen Archivs, bis zu vier Stockwerken tief unter der Erde. Das älteste Dokument ist eine Urkunde aus dem Jahr 942. Tausende von Akten aus der kirchlichen Verwaltung, Kirchenbücher, Bilder, Fotografien oder moderne Tonträger inklusive Abspielgeräten geben Zeugnis vom kirchlichen Leben in der Vergangenheit. Auch Dokumente der Weltkirche haben Eingang ins Archiv gefunden. Sie vermitteln ein vielfältiges Bild vom Engagement des Kölner Erzbistums in Afrika und anderen Teilen der Welt. Interessant sind auch die Nachlässe der Kölner Erzbischöfe. Dort finden sich nicht nur Briefe und Akten. Zum Beispiel lagern in einem Karton auch der Ehrendoktorhut und Talar des Kölner Erzbischofs Höffner, sorgfältig zusammengelegt.

Auch weltliche Nachlässe haben ihren Platz im Archiv gefunden – darunter der Nachlass der Kölner Architekten Rolf Schwarz oder Hans Schilling, die bei vielen Kirchenbauten mitgewirkt haben. Grundsätzlich gilt für die Aufnahme von Nachlässen, so Helbach: “Unsere Archivgüter müssen einen Bezug zu Kirche und kirchlichem Leben haben.”

In der Fülle eine Auswahl treffen – in aller Freiheit

In einem steten Strom kommen immer neue Archivgüter in die Hände der Archivare. Sie müssen fachkundig entscheiden, welche dieser Archivalien archivwürdig sind, das heißt für die Nachwelt aufgehoben werden müssen. Keine leichte Aufgabe. Denn die Frage stellt sich, was für die Nachwelt von Bedeutung sein könnte. Es wurden auch Fehler gemacht, weiß Helbach: “Zum Beispiel bei den von den Kirchen eingesetzten Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen. Da hätten wir heute gerne gewusst, wer da gearbeitet hat. Aber Belege von Gehaltszahlungen oder Krankenversicherungsunterlagen sind zusammen mit anderen tausenden von Akten weg.”

Von zentraler Bedeutung ist für das Team des Historischen Archivs, und dass es völlig unabhängig im Umgang mit den Archivgütern ist. “Niemand hat uns in unserer Arbeit beeinflusst,” betont Helbach, “bei der Bewertung unserer Archivgüter treffen wir allein die Entscheidungen, die nach fachlichen Gesichtspunkten getroffen werden.”

Digitalisierung – ein Muss

Eine große Herausforderung ist die notwendige Digitalisierung der wachsenden Bestände und die zunehmend digitale Aktenführung der Behörden. Seit einigen Jahren arbeitet das Team des Historischen Archivs daran, die digitalen Akten aufzunehmen, zu bewerten und abrufbar zu machen. “Ein großer Aufschlag,” so Helbach.

Auch die analogen Bestände in Papier werden digitalisiert, besonders diejenigen, die stark nachgefragt sind. Dazu gehören vor allem die Kirchenbücher, die zwar nur ein Prozent des Bestands ausmachen, aber von 40 Prozent der Besucher und Besucherinnen für ihre Familienforschung genutzt werden. Sehr fragile, alte Dokumente können durch Digitalisierung zugänglich und gleichzeitig geschützt werden.

Eine Herausforderung ist auch die Digitalisierung archivierter Fotos. Es ist der große Verdienst der Greven-Stiftung, dass 5.000 Fotografien digitalisiert und auf dem Bildportal der Stiftung rechtzeitig zum Jubiläum zugänglich gemacht werden konnten.

Dank der Digitalisierung kann sich die Öffentlichkeit eine umfassende Übersicht verschaffen, welche Bestände unter dem Dach des Archivs aufbewahrt werden, auch wenn aus Datenschutzgründen noch nicht alle benutzbar sind. “Das ist ein Anliegen des gesamten Teams, dass wir nach außen offen, transparent und präsent sind”, betont Helbach.

Die Zukunft des Archivs

Mit dem unterirdischen Erweiterungsbau aus dem Jahr 2007 wurden 15 Regalkilometer zusätzlicher Raum für Archivgüter geschaffen. Auch diese Aufbewahrungskapazitäten werden in absehbarer Zeit erschöpft sein. Doch nicht alles, was im Archiv heute aufbewahrt wird, muss bleiben. “Es ist ein Kommen und gehen,” sagt Helbach. Wahrscheinlich werden in Zukunft digitale Akten die auf Papier geführten Akten ablösen, die dann in digitalen Speichermedien gesichert werden. Doch noch kommen viele analoge Bestände von katholischen Vereinen und Verbänden ins Haus. Ob es nötig sein wird, die Archivräume noch einmal zu erweitern oder eine neue Immobilie zu finden, das muss von den zukünftigen Verantwortlichen bewertet werden. Das Team des Historischen Archivs weiß um seine Verantwortung für die zukünftigen Generationen, sagt Helbach: “Wir als Archivare bleiben unbeeindruckt vom Tagesgeschehen, lassen die Menschen so sein, wie sie gelebt haben, und erfüllen unseren Auftrag nach bestem Wissen.”

Birgitt Schippers

Das Interview mit Archivdirektor Helbach gibt es hier in gekürzter Form als Artikel und hier als ausführliches Video (36 min.).


Ulrich Helbach im Historischen Archiv des Erzbistums Köln / © Ulrich Helbach (privat)
Ulrich Helbach im Historischen Archiv des Erzbistums Köln / © Ulrich Helbach ( privat )

Ernennungsurkunde des ersten Kölner Archivars von 1921 / © Schippers (DR)
Ernennungsurkunde des ersten Kölner Archivars von 1921 / © Schippers ( DR )
Quelle:
DR