Den Kunden der Kölner Diakonie-Kleiderkammer kann man die Herkunft ihrer Kleidung nicht ansehen

Für ein Mehr an Würde

"Schämen müsste ich mich, wenn ich klaue. Aber nicht, wenn ich mich hier einkleide." Maria Brauer besucht regelmäßig die Kleiderkammer der Diakonie Köln. Sie ist arbeitslos, verschuldet, lebt von "Hartz IV". "Außerdem sind die Sachen hier schön", sagt sie und zeigt die Wolljacke, die sie sich gerade ausgesucht hat. Nicht nur Wohnungslose suchen die Kleiderkammer auf. Auch die Bezieher von Arbeitslosengeld II gehören inzwischen zu den Stammkunden.

 (DR)

Bezieher von Arbeitslosengeld II sind Stammkunden
"Kleiderkammer nur für Wohnungslose" steht auf einem Schild, das in der verrauchten kleinen Cafetaria hängt. 20 Cent kostet hier ein Kaffee. Doch nicht nur Wohnungslose treffen sich hier. Auch die Bezieher von Arbeitslosengeld II warten mittlerweile, um die enge Wendeltreppe hinunter in den Keller zu steigen. "Die machen inzwischen zwei Drittel unserer Kundschaft aus", sagt Bernd Jakob, der seinen richtigen Namen nicht genannt wissen will. "Ich war selber mal ganz unten und auf Hilfe angewiesen", gibt er als Grund an. Vielleicht weiß er deshalb, was seine "Kundschaft" braucht. Vielleicht hat er deshalb die Kleiderkammer seit sechs Jahren so gut im Griff.

Sie ist eine von vielen in Köln, die anderen werden vom DRK, von
der Caritas, Kirchengemeinden oder kleinen Sozialvereinen betrieben. Auch wenn das Ganze gerade mal 20 Quadratmeter groß ist, alles ist übersichtlich und ordentlich. Exakt gefaltet und nach Größen geordnet stapeln sich Pullover, Hosen und Hemden in den Regalen. Auch Bettwäsche und Handtücher. Gardinen. Ganz unten knäueln sich in Kartons Socken und Unterwäsche, originalverpackte Nylons und Mützen. An vier mobilen Stangen hängen Jacken und Mäntel.

Gesucht: Hilfe beim Nähen und Schuhe flicken
Alles ist sauber. "Wer zu uns kommt, dem soll man beim Herausgehen nicht ansehen, dass er in einer Kleiderkammer war", erklärt Jakob seine "Geschäftsphilosophie". "Leider verwechseln uns manche Kleiderspender mit einem Lumpensammler." Und so sortiert er gnadenlos aus, was stinkt, dreckig, kaputt oder unmodern ist. "Leider haben wir keinen, der umsonst näht oder Schuhe flickt", bedauert er. "Mehrere tausend Euro im Jahr geben wir dafür aus", sagt Rolf Tolzmann, Leiter des diakonischen Hauses: "Dafür kaufen wir manchmal auch Unterwäsche oder Socken zu."

Jakob sitzt zweimal in der Woche für je drei Stunden hinter seinem kleinen Tisch am Eingang. Nur Frauen dürfen den Raum betreten, sich ihre Kleidung selber aussuchen. "Schließlich wollen die auch mal einen BH probieren", sagt Jakob. Männer werden bedient, freundlich, sorgfältig. Geduldig sucht er ein helles Hemd aus dem Stapel. "Ich bin zwar schon alt, aber dunkel muss nicht sein", hatte sich Günter Garczorz gewünscht. "Zu klein", stellt der 85-Jährige fest, als ihm Jakob ein Hemd vor die Brust hält. Aber es gibt ja noch ein größeres. Er bezieht eine Grundsicherung von 402 Euro im Monat: "Neue Klamotten sind da nicht drin."

Kleidung zum Bierpreis
Dass seit August ein Euro für zehn Kleidungsstücke - mehr gibt es pro Person im Monat nicht - bezahlt werden muss, stieß auf keinen Widerspruch. "Das ist weniger als ein Bier kostet", sagt Garczorz. Innerhalb der Diakonie hatte man lange darüber diskutiert, aber "es gibt auch etwas Würde zurück, wenn man für etwas bezahlen kann", begründet Jakob die Entscheidung. Außerdem, so hat er beobachtet, sind die Leute seitdem freundlicher.

Er kassiert und trägt alles sorgsam in ein Buch ein: 72 Hosen hat er im vergangenen November ausgegeben, 41 Winterjacken, dazu unter anderem 32 Paar Schuhe, 81 Sets Unterwäsche und 78 Pullover.