Waldmesse im Lindenthaler Tierpark

"Den Garten Gottes pflegen, hüten und bewahren"

Esel, Ziegen, Rehe, Pfaue – der Tierpark am Stadtrand von Köln ist für seine Idylle bekannt. Einmal im Jahr wird hier Gottesdienst gefeiert. Am Gebetstag für die Bewahrung der Schöpfung mahnte Stadtdechant Robert Kleine zu mehr Demut.

Die Zelebranten Thomas Iking, Msgr. Robert Kleine und Subsidiar Wilfrid Arnaud Foh Avoulou aus Kamerun. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Zelebranten Thomas Iking, Msgr. Robert Kleine und Subsidiar Wilfrid Arnaud Foh Avoulou aus Kamerun. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Alaska hat die Faxen dicke. Schon nach der ersten Flugrunde macht es sich der Weißkopfadler auf einer Baumkrone in etwa zehn Metern Höhe bequem. Die Flugschau, zu der noch fünf weitere Greifvögel seines Kalibers gehören und die für die Kleinsten der vielen Besucher an diesem Mittag die Hauptattraktion im Lindenthaler Tierpark ist, muss nun ohne ihn auskommen. Die vielen Menschen, vor allem die quirligen Kinder machten Alaska nervös, meint der Falkner und weiß, dass nun erst einmal Geduld angesagt ist, bevor das geplante Programm weitergehen kann und das für solche Anlässe trainierte Federtier seinen nächsten Flug absolviert.

Hier am Stadtrand von Köln lässt sich Natur pur erleben. Von weitem ist ein Rudel grasender Rehe zu erkennen; auch Eselsschreie sind ab und zu vernehmbar. Das übliche Vogelkonzert ohnehin. Denn Autolärm gibt es hier nicht. Keine Frage, dass ein Gottesdienst unter freiem Himmel, wie er gerade mal vor einer Viertelstunde zuende gegangen ist, an einem Ort wie diesem am augenfälligsten die Verbindung zwischen Mensch und Gottes Schöpfung thematisieren kann. Das finden auch die vielen hundert Besucher – in der Summe geschätzte 800 – die zur Mitfeier der Messe, die auf Einladung der Gemeinde St. Stephan in diesem Jahr zum ersten Mal Dom- und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine zelebriert, weite Wege auf sich nehmen. Denn der Tierpark mit seinen weitläufigen Wiesen liegt in einem Waldstück – schließlich ist das der für Damwild, Schafe, Ziegen und Pfaue natürliche Lebensraum – und damit bewusst ein gutes Stück abseits vom Straßenverkehr.

Großartige Atmosphäre mitten im Grünen

Maria Achtermeier aus der Pfarrei St. Marien Weiden nimmt mit ihrem Mann Peter in jedem Jahr an der Waldmesse teil. "Eine Messe im Freien ist schließlich etwas ganz Besonderes", findet die 80-Jährige. Und sie sei immer gut besucht, während die Pfarrkirche immer leerer werde. Ihr gefällt die große Gemeinschaft hier. "Da sieht man, dass wir eigentlich ganz viele sind, die denselben Glauben teilen." Blanca Hömberg aus Junkersdorf geht es genauso. "Einen Gottesdienst in der Natur – das hat man schließlich nicht jeden Tag."  Sonst ist die gebürtige Spanierin normalerweise sonntags in Neuehrenfeld, wo die spanische Gemeinde angesiedelt ist. Aber auch für sie ist die traditionelle Waldmesse, die in diesem Jahr schon zum 18. Mal stattfindet, ein Muss. Nadine Mauss ist mit ihrem sechsjährigen Sohn Moritz gekommen. Sie hat sich mit Anne-Cathrine Palm und deren drei Kindern zur Waldmesse verabredet. "Das ist eine tolle Idee, mal woanders und dann mitten im Grünen an der frischen Luft Messe zu feiern", schwärmen die beiden Freundinnen aus Rodenkirchen. Sie finden die Atmosphäre großartig. "So viel Natur erleben Kinder heutzutage doch sonst gar nicht mehr", merkt Palm an, die außerdem noch Hobbyjägerin ist. Daher gefällt ihr auch die musikalische Gestaltung mit den Bläsern der Jagdhorngruppe außerordentlich gut.

Julia Farrenkopf ist zum ersten Mal bei der Waldmesse mit dabei. Die 13-Jährige gehört zu der Gruppe der Messdiener von St. Stephan, sitzt aber auf einer der vielen aufgestellten Holzbänke, weil heute nur die Gruppenleiter dran sind, und fühlt sich mit dem ganzen Drumherum an ihre Messdienerfreizeiten erinnert. Auch sie genießt die große Gemeinschaft. "Hier kommen wirklich nur die Leute her, die das wirklich wollen." Immerhin müsse man schon ein gutes Stück Fußweg einplanen und auch ein bisschen mehr Zeit als für einen normalen Sonntagsgottesdienst in der Kirche.

Kleine: Auch die zwischenmenschliche Abkühlung ist ein "Klimaproblem"

Die Verbindung zwischen Natur, Mensch und Gott, um die es an diesem Ort vor allem geht, stellt Dom- und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine her. Gleich in seiner Begrüßung betont er: "Unsere Welt hat ein Klimaproblem", um dann auszuführen, dass es – genau genommen – eigentlich zwei genau entgegengesetzte Klimaprobleme seien: zum einen die Erderwärmung, in deren Folge das Eis an Nord- und Südpol schmelze, der Meeresspiegel steige, das Wetter extremer werde und Tierarten aussterben würden. Während das zweite "Klimaproblem" die zwischenmenschliche Abkühlung sei: "Die Atmosphäre zwischen den Menschen wird zunehmend kälter." Der Umgangston werde rauer, die Anonymität steige und damit auch die Vereinsamung. Und rein statistisch werde in Deutschland jeden Tag ein Kind getötet. "Immer mehr Menschen packen diese kalte Atmosphäre nicht mehr. Psychotherapeuten haben randvolle Terminkalender, und Therapieplätze für Alkoholkranke sind praktisch ständig ausgebucht." Beide Klimaprobleme müssten schnellstmöglich angegangen werden, so Kleine.

Auch in seiner Predigt mahnt der Domkapitular – in Anlehnung an das Tagesevangelium – innezuhalten und sich auf eine aus der Mode gekommene Tugend wie Demut neu zu besinnen. Denn Demut – lateinisch "Humilitas" – habe mit Bodenständigkeit, Erdverbundenheit zu tun, erklärt er. "Der demütige Mensch ist sich bewusst, dass er ein Geschöpf Gottes ist und als solches aus der Erde entstammt und zur Erde zurückkehren wird. Er hebt also nicht ab, sondern steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Wirklichkeit." Das bewahre ihn davor, dass aus einer Tugend eine Untugend werde und damit aus Klugheit Besserwisserei, aus Beredsamkeit sinnloses Geplapper, aus jeder Fähigkeit und Veranlagung übertriebener Stolz und Übermut.

Mahnung, sich nicht selbst als Schöpfer zu verstehen

Außerdem ruft Kleine seine Zuhörer dazu auf, den Verantwortungsauftrag als Christ wahrzunehmen und Fürsorge für die Schöpfung zu übernehmen. Es gebe in der modernen Welt die Tendenz, "dass selbst Menschen, die für die Bewahrung der Schöpfung eintreten, oft vergessen, dass sie selbst auch Geschöpfe sind. Ihr Interesse für die Schöpfung ist abgekoppelt vom Gedanken an einen Schöpfer. Sie tendieren dazu, sich selbst als Schöpfer zu verstehen und nicht als Geschöpfe." Der Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, sei aber kein Freibrief für Unterdrückung und Ausbeutung der Schöpfung.

Nicht umsonst habe Gott den Menschen in einen Garten gesetzt und ihm die Aufgaben übertragen, diesen zu pflegen und zu hüten. "Der Mensch soll die Schöpfung verantwortlich bebauen und bewahren, gestalten und schützen – wie ein Bauer." Schließlich gehe ein Bauer nicht rücksichtslos mit seinem Acker um. "Er weiß genau, welche Dünger gut und nachhaltig sind. Er plant, pflegt und kümmert sich um den Acker, denn sein Überleben ist davon abhängig." So sei es Aufgabe jedes Einzelnen, unterstreicht Kleine, den ursprünglichen Zustand des Gartens wiederherzustellen: die Harmonie zwischen Mensch und Gott sowie die Harmonie zwischen Mensch und Natur. "Die Verantwortung dafür ist uns in die Hand gegeben. Es gibt nur diese eine Welt!"


Die Waldmesse erfreut sich wachsender Beliebtheit. An diesem Sonntag sind rund 800 Besucher in den Tierpark gekommen. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Waldmesse erfreut sich wachsender Beliebtheit. An diesem Sonntag sind rund 800 Besucher in den Tierpark gekommen. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Heribert Resch, Initiator der Lindenthaler Waldmessen, bei der Begrüßung im Lindenthaler Tierpark. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Heribert Resch, Initiator der Lindenthaler Waldmessen, bei der Begrüßung im Lindenthaler Tierpark. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

In diesem Jahr ist Dom- und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine der Hauptzelebrant der Waldmesse. / © Beatrice Tomasetti (DR)
In diesem Jahr ist Dom- und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine der Hauptzelebrant der Waldmesse. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Messdiener kommen aus der Lindenthaler Gemeinde St. Stephan. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Messdiener kommen aus der Lindenthaler Gemeinde St. Stephan. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Der Lindenthaler Pastor, Pfarrer Thomas Iking, ist Gastgeber der traditionellen Waldmesse im Tierpark. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Lindenthaler Pastor, Pfarrer Thomas Iking, ist Gastgeber der traditionellen Waldmesse im Tierpark. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Sie passen wunderbar in die Umgebung - die Bläser der Jagdhorngruppe Köln unter der Leitung von Lukas Sesterhenn. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Sie passen wunderbar in die Umgebung - die Bläser der Jagdhorngruppe Köln unter der Leitung von Lukas Sesterhenn. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Auch Jagdhund Ranka nimmt mit Herrchen an der Waldmesse im Lindenthaler Tierpark teil. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Auch Jagdhund Ranka nimmt mit Herrchen an der Waldmesse im Lindenthaler Tierpark teil. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Msgr. Robert Kleine mahnt in seiner Predigt zu mehr Demut - auch gegenüber der Schöpfung. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Msgr. Robert Kleine mahnt in seiner Predigt zu mehr Demut - auch gegenüber der Schöpfung. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Im Anschluss an den Gottesdienst findet im Tierpark eine Flugschau mit Greifvögeln statt. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Im Anschluss an den Gottesdienst findet im Tierpark eine Flugschau mit Greifvögeln statt. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Stadtdechant Robert Kleine mit dem Uhu Elsa. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Stadtdechant Robert Kleine mit dem Uhu Elsa. / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR