Das Vatikanische Geheimarchiv wird 400 Jahre alt

Paradies für Verschwörungstheoretiker

Es ist ein Paradies für Forscher und Verschwörungstheoretiker, für Kirchenhistoriker und Bestsellerautoren: das Vatikanische Geheimarchiv. Über den Ruf, der Archiven im Allgemeinen vorauseilt, nämlich langweilig und verstaubt zu sein, kann sich das Archivum Secretum Vaticanum kaum beklagen.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Im Gegenteil: Das päpstliche Aktenlager gilt Vielen als hermetisch abgeriegelter Hort großer Menschheitsgeheimnisse und als verschwiegene Kulisse finsterer Machenschaften - spätestens seit Dan Browns Thriller "Illuminati". Als das Vatikanische Geheimarchiv vor 400 Jahren, am 31. Januar 1612, von Papst Paul V. (1605-1621) gegründet wurde, gab es nicht einmal den titelgebenden Illuminatenorden.



Dabei wirkt die Beschreibung des Archivs auch ohne Schriftsteller-Fantasien durchaus beeindruckend: 85 Kilometer Kirchengeschichte lagern hier unweit der Sixtinischen Kapelle. Akten des 8. Jahrhunderts bis in die Gegenwart; von der Rechnung für päpstliche Weinlieferungen bis hin zu den Akten über die Rolle von Pius XII. während des Zweiten Weltkriegs.



Für Wissenschaftler schon lange nicht mehr geheim

Aber wie geheim ist das Vatikanische Geheimarchiv wirklich? Die Verschwörung beginnt für manchen schon mit dem Namen: Der Zusatz "geheim" bedeutet jedoch keineswegs, dass in den Räumen des Archivs unbequeme Wahrheiten vor der Öffentlichkeit verheimlicht werden sollen. Er besagt lediglich, dass es sich um ein privates Archiv handelt: das Archiv des Papstes als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche - und nicht um ein Archiv in öffentlicher Trägerschaft. Auch in Deutschland gibt es Archive, die den Zusatz "geheim" in ihrem Namen tragen, etwa das "Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz" in Berlin.



Für die Wissenschaft ist das Vatikanische Geheimarchiv freilich schon lange nicht mehr geheim: Papst Leo XIII. (1878-1903) gab es 1881 grundsätzlich für die historische Forschung frei. Zuletzt kamen jährlich rund 1.500 Wissenschaftler aus mehr als 60 Nationen ins Archiv, Katholiken wie Nichtkatholiken. Entscheidend für die Erteilung einer Nutzungserlaubnis ist nicht der Taufschein, sondern die wissenschaftliche Seriosität. Zutritt erhält, wer ein Studium abgeschlossen hat und ein Empfehlungsschreiben seiner Universität vorweisen kann.



Und was ist mit Pius XII.? Wenn in der Öffentlichkeit vom Vatikanischen Archiv die Rede ist, dann geht es meist auch um ihn, Eugenio Pacelli, jenen Weltkriegspapst, dem Kritiker vorwerfen, während seines Pontifikates (1939-1958) nicht entschieden genug für die Rettung von Juden vor dem Holocaust eingetreten zu sein. Immer wieder ist zu hören, der Vatikan verzögere die Freigabe der Akten aus seinem Pontifikat, weil er unangenehme Wahrheiten über diesen Papst verheimlichen wolle.



Schau soll mit Vorurteilen aufräumen

Bald soll es nun soweit sein: Die Dokumente aus der Zeit von Pius XII. werden voraussichtlich 2014 oder 2015 der Wissenschaft allgemein zugänglich gemacht. Gegenwärtig werden die rund 16 Millionen Blätter geordnet und verzeichnet. Bislang hatte das Material nur eine päpstliche Historikerkommission unter Leitung des französischen Jesuiten Pierre Blet einsehen dürfen, die eine Auswahl der Dokumente in elf Bänden veröffentlichte. Grundsätzlich zugänglich sind bislang die Bestände bis zum Ende des Pontifikats Pius" XI. im Februar 1939.



In wenigen Wochen, ab 1. März, sind 100 ausgewählte Dokumente des Vatikanischen Geheimarchivs in den Kapitolinischen Museen frei zu besichtigen. "Lux in Arcana", zu Deutsch etwa "Licht auf die Geheimnisse", so lautet der Titel der Schau, in der erstmals eine größere Zahl von Dokumenten des Vatikanischen Geheimarchivs in einem Museum ausgestellt werden. Zu sehen sind unter anderem der Registereintrag für die Bannbulle gegen Martin Luther sowie Akten aus dem Prozess gegen Galileo Galilei. Die Schau soll mit Vorurteilen über das Geheimarchiv aufräumen, hatte dessen Leiter, Bischof Sergio Pagano, angekündigt. Pagano hat übrigens auch die "Illuminati" gelesen - ein paar Seiten zumindest. Dann habe er das Buch weggelegt - es war ihm einfach zu langweilig.