Durch die globale Erwärmung steigt der Meeresspiegel, die See nimmt sich immer mehr Besitz von Carteret. Die Palmen verlieren ihren Halt, fallen um. Schlimmer aber noch als der Verlust von Land ist die Versalzung der Böden. "Wir können hier so gut wie nichts mehr anbauen. Wir verlieren unsere Nahrung. Früher gab es Bananen im Überfluss. Jetzt wächst kaum noch was", sagt Ursula Rakova, Gründerin der Umweltorganisation "Tulele Peisa". Mehr als zwei Jahrzehnte haben die 17.000 Menschen auf Carteret versucht, das Meer durch Dämme und Wälle fernzuhalten, ihre Heimat vor dem versinken zu bewahren. Vergeblich. Jetzt sind sie die ersten Klimaflüchtlinge.
"Wir wollen unsere Heimat nicht verlassen. Aber was bleibt uns anderes übrig? Carteret versinkt", sagt Rakova traurig. Den Umzug hat "Tulele Peisa" schon organisiert. Die Regierung der Nachbarinsel Bougainville, eine autonome Provinz in Papua-Neuguinea, will die Klimaflüchtlinge aus Carteret im Laufe der nächsten Jahre aufnehmen. Die katholische Kirche von Bougainville hat für zunächst fünf Klimaflüchtlingsfamilien 71 Hektar Land zur Verfügung gestellt. Werkzeuge für die Urbarmachung das Landes und den Hausbau hat die katholische Hilfsorganisation "St. Vincent de Paul" in Sydney gespendet. Den Aufbau ihrer neuen Heimat wollen die stolzen Melanesier von Carteret mit eigener Hände Arbeit schaffen. Nicht von ungefähr bedeutet "Tulele Peisa" etwa "Wir meistern die Wellen selbst".
Aber ganz ohne finanzielle Umzugshilfe geht es auch nicht. Während beim Weltklimagipfel in Kopenhagen Tausende Experten und Politiker darüber streiten werden, wer wieviel für die Folgen des Klimawandels bezahlen soll, konnten sich bisher gerade mal zwei Familien den Umzug von Carteret nach Bougainville leisten. Selbst die Webseite von Tulele Peisa ist aus Geldmangel abgeschaltet. Die Zeit drängt - aber für den Umzug steht keine internationale Hilfe zur Verfügung; die Regierung von Papua-Neuguinea hält ihre Hilfszusagen nicht ein. Und die Vereinen Nationen? "Die nennen uns nicht mal Umweltflüchtlinge. Was sind wir bloß in deren Augen?", fragt Rakova bitter.
Es ist ein Abschied für immer
Sie fährt nicht nach Kopenhagen. Von Klimakonferenzen hat sie genug.
"Reden, reden, reden, aber keiner handelt", klagt sie und fügt resigniert hinzu: "Was soll ich da Anderes erzählen, als was ich seit drei Jahren erzähle?" Auf Vortragsreisen durch Australien, bei globalen Klimakonferenzen wie der von Bali im Dezember 2007, in zahllosen Interviews hat Rakova über ihre versinkende Heimat gesprochen, um Hilfe gebeten, entschiedenes Handeln gegen den Klimawandel gefordert. "Die Leute sind erschüttert, die Medien berichten - aber es folgt keine konkrete Hilfe." So verspricht sie sich auch nichts von einer Teilnahme in der dänischen Hauptstadt: "Der weite Flug von Papua-Neuguinea nach Kopenhagen wird nichts bringen - außer einem heftigen Beitrag zur Kohlenstoffbelastung der Atmosphäre."
Reporter lassen die Menschen von Carteret schon nicht mehr auf ihre Insel. Sie sind es Leid, als Opfer des Klimawandels besichtigt und dann wieder allein gelassen zu werden. Eine Ausnahme haben sie für BBC-Reporter Dan Box gemacht, dessen im September gesendete Radioreportage intim und einfühlsam über das zu Ende gehende Leben auf Carteret erzählt. Vor seiner Abreise sagte Box wehmütig: "Das ist kein Abschied von einem Ort, den man irgendwann mal wieder besuchen kann. Es ist ein Abschied für immer. Carteret wird es bald nicht mehr geben."
Das Südsee-Atoll versinkt unter Meeresspiegel
Carteret gibt es bald nicht mehr
Carteret - ein traumhaft schönes Atoll in der Südsee. Um die zu Papua-Neuguinea gehörende Insel liegt ein fast kreisrundes Korallenriff. Über das türkisblaue, ruhige, glasklare Wasser innerhalb des Riffs segeln Kinder in kleinen Kanus. Bei näherem Hinsehen aber werden langsam die Umweltschäden sichtbar.
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