Das Recollectio-Haus Münsterschwarzach besteht seit 20 Jahren

Wo ausgebrannte Priester zu Kräften kommen

Burnout, Zweifel am Zölibat und sich selbst - Lebenskrisen sind bei Priestern und Ordensleuten keine Seltenheit. Seit 20 Jahren können sie sich im Recollectio-Haus in der fränkischen Benediktinerabtei Münsterschwarzach eine Auszeit nehmen. Am Wochenende feierte die von acht deutschen Bistümern getragene Hilfseinrichtung ihr Jubiläum - mit dabei: etliche der fast 1.200 Ehemaligen.

Autor/in:
Sabine Ludwig
 (DR)

"Wir haben gelernt, dass Krisen zum Leben gehören", sagt Abt Michael Reepen. Es geht um Themen, die früher tabu waren. Verschiedene Formen der Sucht, Sexualität und des Missbrauchs. "Unser Haus ist ein Beitrag zur Erneuerung der Kirche", meint Reepen, räumt aber ein: "Einigen Bischöfen ist es zu liberal."



Das "Reco-Haus", wie es von den Mönchen genannt wird, ist immer ausgebucht. "Es gibt eine Warteliste, doch wir versuchen, alle schnell aufzunehmen", erklärt der Theologe und Therapeut Wunibald Müller, Leiter der Einrichtung. Die Gäste kommen für zwölf Wochen und zahlen einen Tagesbeitrag zwischen 34 und 44 Euro. Sie haben regelmäßige therapeutische und spirituelle Gespräche, sind in die klösterliche Gemeinschaft integriert, machen Sport und können in Werkstätten mitarbeiten.



"Hier kann über das gesprochen werden, was einen bewegt, um schließlich die richtige Entscheidung zu treffen", sagt Müller. Dabei werde auch die Auseinandersetzung mit der Kirche nicht gemieden. "Wir begleiten unsere Gäste dabei, herauszufinden, was Gott für sie bestimmt hat."



"Ich bin an meine Grenzen gestoßen"

Der Bamberger Diözesanpriester Wolfgang Eßel kam zum Sommerkurs 2007. Durch Streitigkeiten in seiner Pfarrei fühlte er sich ausgebrannt und leer. "Ich bin an meine Grenzen gestoßen und wollte wissen, ob ich weitermachen kann und will", erzählt er. "Von mir wurden Dinge verlangt, die ich nicht leisten konnte." Profitiert hat er vor allem von den psychologischen Einzelgesprächen. "Das Team hatte den richtigen Begleiter für mich gefunden." Jetzt verstehe er sich selbst viel besser. Von Anfang an stand für ihn fest, woanders noch einmal neu anzufangen. Er wechselte die Pfarrei. "Die drei Monate in Münsterschwarzach waren die schönsten in meinem Leben."



Schwester Elisabeth, die in Wirklichkeit anders heißt, war 1991 im Recollectio-Haus. "Ich war mit mir, der Klostergemeinschaft und dem lieben Gott nicht mehr zufrieden." Die Provinzoberin hatte ihr den Tipp zur Teilnahme gegeben, doch anfangs sträubte sie sich. "Es war wohl eine Art Midlife-Crisis", erinnert sich die 64-Jährige. "Ich war anderen gegenüber sehr unbarmherzig." Dass ihre Probleme mit ihrer Kindheit zu tun hatten, erfuhr sie in den therapeutischen Sitzungen. "Ich fühlte mich immer ungeliebt."



Gespräche halfen ihr, die Vergangenheit aufzuarbeiten und mit der Bitterkeit umgehen zu lernen. "Zusammen beten, die Gemeinschaft mit den Mönchen spüren. Mein Tag hatte eine neue Struktur bekommen." Heute hat Elisabeth ihre Aufgabe in der Krankenseelsorge gefunden. Regelmäßig kommt sie einmal im Jahr nach Münsterschwarzach, um dort aufzutanken. "Nicht nur die Gäste, sondern auch Gott fühlt sich in Münsterschwarzach sehr wohl", ist Müller überzeugt.



Probleme mit dem Zölibat hatte Pfarrer G. schon immer. Im Recollectio-Haus faszinierte ihn, "wie sehr die Mitarbeiter am Wohl eines jeden einzelnen interessiert sind". Dazu kam die Mischung aus spiritueller, therapeutischer und körperlicher Arbeit. Der Geistliche half im Sägewerk mit. "Ich erkannte meine Fähigkeiten und was man aus ihnen machen kann." Der Kurs hat ihm Mut gemacht, das zu leben, was er wollte. Und heute arbeitet er als Seelsorger in einem Einkaufszentrum.