Kardinal Hollerich fordert Solidarität der EU-Staaten

Das "nationale Ich" überwinden

Der Präsident der EU-Bischofskommission, Kardinal Jean-Claude Hollerich, hat Solidarität unter den Staaten Europas angemahnt. Wenn jedes Land zuerst an sich denke, lande man bei einem "lokal-nationalen Egoismus".

Europaflagge / © Marian Wejo (shutterstock)

"Und das kann sicher nicht christlich sein", sagte der Luxemburger Erzbischof laut der Nachrichtenagentur Kathpress am Sonntag in der Pfarrkirche Alpbach beim Gottesdienst zum traditionellen "Tirol-Tag" der Jahrestagung "Europäisches Forum Alpbach".

Die Europäische Union baue auf Versöhnung und dem Hinausgehen über das eigene "nationale Ich", erinnerte der Kardinal. Dieser Weg müsse konsequent weitergegangen werden. "Das Wie obliegt den Politikern. Aber dass mehr Zusammenarbeit für das Wohl aller christlich ist, das darf man auch nicht verschweigen", so Hollerich. Europa bestehe aus vielen Identitäten. "Diese Identitäten sollen offen sein im Dialog miteinander. Das Christentum steht für diesen Dialog", sagte der Kardinal.

Mangel an Glauben "eigentliche Krankheit der Kirche in Europa"

In seiner Predigt nannte Hollerich einen Mangel an Glauben die "eigentliche Krankheit der Kirche in Europa". Gleichzeitig betonte er die Bedeutung eines gesellschaftlichen und auch politischen Engagements aus dem christlichen Glauben heraus.

Wie der Apostel Petrus, könne jeder Christ zu einem Fels für die Kirche und für andere werden: in der tätigen Nächstenliebe, in Familie und Berufsleben, aber auch in Gesellschaft und Politik. "Das heißt nicht, dass die Kirche Politik machen soll", fügte der Kardinal hinzu. Politik werde aber von Christen gemacht. Die Kirche gebe ihnen mit ihrer Soziallehre die Richtung vor.

Flüchtlingsproblem prinzipiell Sache der Politik

Auch das Flüchtlingsproblem sei prinzipiell Sache der Politik. "Aber man muss alle Leute menschlich behandeln, und wenn das nicht geschieht, dann muss die Kirche reden", betonte der Kardinal unter Verweis auf die Lage der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer. Es könne nicht sein, dass von europäischen Werten gesprochen werde, "die aber sofort enden, wenn es unserem nationalen Interesse widerspricht", mahnte der COMECE-Präsident.

Das "Europäische Forum Alpbach 2020" steht unter dem Thema "Fundamentals". Hochrangige Gäste wie UNO-Generalsekretär Antonio Guterres wollten per Zuschaltung an der auf zwölf Tage verkürzten Tagung teilnehmen. 

Jean-Claude Hollerich

Jean-Claude Hollerich (66), Erzbischof von Luxemburg, gehört unter den Kardinälen zu den bekanntesten Teilnehmern des Konklaves. Das verdankt der polyglotte Jesuit vor allem zwei wichtigen internationalen kirchlichen Ämtern, die er während des Franziskus-Pontifikates innehatte.

Von 2018 bis 2023 war Hollerich als Nachfolger des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE). In dieser Funktion vertrat er die Interessen der Kirche bei der EU und kam mit fast allen wichtigen Kardinälen in Europa zusammen.

Kardinal Jean-Claude Hollerich / © Sven Becker (KNA)
Kardinal Jean-Claude Hollerich / © Sven Becker ( KNA )
Quelle:
KNA
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