Wie Bilder andere Dimensionen des Seins öffnen

"Das Licht der Farbe"

Zum 1000-Jahr-Jubiläum der Kölner Kirche St. Heribert zeigt die Ausstellung "diaphan – das Licht der Farbe" Werke der Künstlerin Hannah A. Hovermann im Zusammenklang mit dem Kirchenraum. Eine große Rolle spielt das Licht.

Ausstellung "diaphan – das Licht der Farbe" / © Holger Buhr (privat)
Ausstellung "diaphan – das Licht der Farbe" / © Holger Buhr ( privat )

DOMRADIO.DE: Was für Werke zeigen Sie?

Hannah A. Hovermann (Künstlerin): Es sind Bilder, es sind Malereien in einer speziellen Technik gemacht, die eigentlich nur Farben sind, beziehungsweise Interaktionen von Farben miteinander und mit dem Licht. 

DOMRADIO.DE: Da sind wir schon beim "diaphan" aus dem Titel der Ausstellung. Was bedeutet das genau?

Hovermann: 'Diaphan' bedeutet so etwas wie 'durchscheinend', aber auch 'durchklingend'. Es geht also um etwas, das nicht auf den ersten Blick zu sehen ist. Es ist nicht transparent, aber es klingt durch. Es impliziert eine Interaktion miteinander.

DOMRADIO.DE: Licht ist ganz schwer zu greifen – wie versuchen Sie, das Licht sichtbar werden lassen?

Hovermann: Farbe entsteht ja immer aus dem Zusammenspiel von Licht mit Materie, wir könnten auch sagen von Immaterialität mit Materialität. Das sieht man zum Beispiel bei Prismen. Wenn einfach weißes Licht irgendwohin fällt, passiert gar nichts; wird es aber gebrochen, durch ein Prisma oder Wasser oder Regentropfen, dann entstehen Farben, dann werden Farben sichtbar. Und dieses Phänomen interessiert mich - also wie die Farbe aus dem Licht entsteht und damit interagiert.

DOMRADIO.DE: Sie haben dafür sogar eine besondere Technik entwickelt, wie Sie Aquarellfarbe zum Leuchten bringen…

Hovermann: Genau, ich arbeite mit Aquarellfarbe. Unter Aquarellen stellen wir uns normalerweise ganz zarte Bilder vor, das sind meine eher nicht. Ich habe für mich die Technik gefunden, ungezählt viele Schichten hauchfeiner Aquarellschichten übereinander zu legen. Das nennt man Lasieren. Dadurch entsteht der Effekt, dass das Licht in der Tiefe gebrochen wird. So werden die Farben ganz subtil und leuchten sehr intensiv, obwohl das Ganze mit Aquarellfarben gearbeitet ist. Seit einiger Zeit mache ich es so, dass ich diese dünnen Schichten, die ich mit der Aquarellfarbe übereinanderlege, nicht mehr mit dem Pinsel auftrage, sondern mit einem Sprühverfahren, weil es dadurch dem Immateriellen noch näherkommt. Ich bringe durch das Sprühen sozusagen die Luft hinein. Dadurch werden die Übergänge auch in den weißen Malraum hinein – die Bilder haben immer einen weißen Malgrund - noch ungreifbarer und noch diffuser. Dieses Ungreifbare ist mir wichtig.

DOMRADIO.DE: Sie zeigen Ihre Arbeiten in der Weite eines Kirchenraum. Wie schaffen Sie es, dass die Bilder da nicht untergehen. Sind Ihre Arbeiten sehr großformatig?

Hovermann: Nein, nicht besonders. Sie sind etwas über einen Meter hoch und breit. Aber sie nehmen durch das Pulsieren der Farbe Raum ein – wenn man sich drauf einlässt. Durch ihre Größe haben sie einen Bezug zum menschlichen Maß, strahlen aber gleichzeitig in den Raum aus.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet das jetzt für Ihre Arbeiten, dass sie in einem Kirchenraum zu sehen sind?

Hovermann: Das hat zwei Ebenen. Einerseits ist das natürlich ein Raum, der bereits mit etwas besetzt ist. Und ich will mit diesem Wesentlichen, mit dem der Raum besetzt ist, in Korrespondenz treten. Das ist ganz anders als in so einem 'White Cube', dem 'weißen Würfel' eines Ausstellungsraums.

Auf der anderen Seite ist der Kirchenraum natürlich auch ein spiritueller Raum. Und auch in meinen Arbeiten ist die spirituelle Dimension wichtig; nicht in irgendeiner expliziten Weise, aber eben in diesem Thema der Verbindung von Materialität und Immaterialität. Wie so ein Durchklingen von etwas Geistig-Spirituell-Seelischem, eben nicht Materiellen. Wenn man zum Beispiel das Licht in Korrespondenz setzt mit Materialität, wie es das ja in der Tradition von Kunst im kirchlichen Kontext durchaus gibt

DOMRADIO.DE: Da fallen mir jetzt spontan Kirchenfenster ein, durch die das Licht einfällt und den Raum und alles, was in ihm ist, in ein bestimmtes Licht setzt. Spielen sie für die Ausstellung in Sankt Heribert eine Rolle?

Hovermann: Eine große Rolle. In St. Heribert, je nachdem wie das Licht hineinfällt, wie die Sonne scheint oder nicht, werfen die farbigen Fenster, die relativ hoch angebracht sind, Reflektionen auf die Wände und den Boden. Das sind sozusagen diffuse Flächen, weil man da das Motiv der Bilder aus den Fenstern nicht mehr erkennt. Und diese diffusen Flächen, die sich zum Teil überlagern und mit dem Grund, auf dem sie erscheinen, interagieren, die treten in Bezug zu meinen Arbeiten. Weil da eigentlich das Gleiche passiert, dieses Korrespondieren zwischen sich überlagernden Farben. Das ist schon eine Idee der Ausstellung: die Korrespondenz zwischen den Fenstern und meinen Arbeiten.

DOMRADIO.DE: Machen Sie da auch etwas Göttliches sichtbar?

Hovermann: Ich würde sagen: Im weiteren Sinne. Ich würde sagen, ich mache etwas Spirituelles sichtbar, eine geistige Dimension des Seins. Eher in der Idee, dass das ahnbar wird. Menschen, die eines meiner Bilder gekauft haben, sagen oft: "Das ist so etwas wie ein Meditationsobjekt." Sie setzen sich davor und fühlen sich an etwas angebunden. Dabei sind das keine ausdrücklichen Meditationsbilder. Das meint ja auch dieses "diaphan" – das Durchklingen. Man kann die Bilder einfach als spannende Farbkorrespondenzen sehen, aber ich kann sie auch sehen als etwas, in das ich hineingezogen werde, weil da etwas pulsiert. Dadurch, dass die Farbübergänge sehr diffus sind, verliere ich zum Beispiel meinen festen Standpunkt und dadurch öffnet sich eine andere Dimension. Wenn ich mich darauf einlasse.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Ausstellung "diaphan – das Licht der Farbe" / © Holger Buhr (privat)
Ausstellung "diaphan – das Licht der Farbe" / © Holger Buhr ( privat )

Hannah A. Hovermann / © Holger Buhr (privat)
Hannah A. Hovermann / © Holger Buhr ( privat )
Quelle:
DR