Welches Zeichen setzt der Klimadialog in Corona-Zeiten?

"Das ist leider noch zu wenig"

Ist Klimaschutz gerade überhaupt noch ein Thema oder wird es komplett von der Corona-Pandemie überlagert? Auch auf diese Frage suchten die Teilnehmer des Petersberger Klimadialogs per Videoschalte eine Antwort. Wie fiel sie aus?

Dürre - eine Folge des Klimawandels / © palidachan (shutterstock)
Dürre - eine Folge des Klimawandels / © palidachan ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die UN-Klimakonferenz 2020 oder auch COP 26 wird wegen der Corona-Pandemie verschoben. Wie wichtig war deshalb das Treffen der Minister beim Klimadialog am Montag und Dienstag?

Malte Hentschke (Stellvertretender Geschäftsführer der Klima Allianz und Referent Klima- und Energiepolitik): Es war ein sehr wichtiges Signal, dass dieses Format stattgefunden hat. Das stand zwischendurch noch nicht fest.

Es ist aufgrund zweier Punkte wichtig gewesen. Das eine ist, dass die Ministerinnen und Minister sich im informellen Teil zu den Themen und Fragen austauschen konnten, wie es in der internationalen Klimapolitik und im Klimaschutz weitergehen kann.

Zweitens war es wichtig, dass ein Signal an die Öffentlichkeit gesendet wird, dass das Thema der Klimakrise nicht aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr behandelt wird, sondern sich nach wie vor schnell entwickelt und ausbreitet.

DOMRADIO.DE: Bundeskanzlerin Merkel hat in diesem Jahr vielleicht auch ein Signal setzen wollen und hat wieder an dem Dialog teilgenommen. Sie hat verdeutlicht, dass sie die Verbesserung des EU-Klimaziels für 2030, die Emission um 55 Prozent zu verringern, unterstützt. Das hatten sich viele Organisationen gewünscht. Wie ordnen Sie das ein?

Hentschke: Eine kleine Korrektur: Sie hat gesagt 50 bis 55 Prozent. Das ist ein entscheidender Unterschied. Das ist auf jeden Fall ein gutes Signal. Bisher hat sich die Bundesregierung nicht wirklich konkret festlegen wollen und dazu geäußert. Es ist immer noch die Spanne, die auch von der Europäischen Kommission für das 2030-Ziel genannt wurde. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch, dass das zu wenig ist, um der Klimakrise und dem Pariser Klimaabkommen gerecht zu werden und gerade für die Menschen im globalen Süden eine Perspektive zu schaffen.

Insofern war es gut, dass sie dieses Signal gesetzt hat, weil es auch innerhalb der Bundesregierung durchaus Stimmen dagegen gibt, teilweise aus der Industrie, die Klimaziele überhaupt in Zeiten der Corona-Pandemie auf europäischer Ebene anzuheben. Allerdings hätten wir uns noch ein bisschen mehr gewünscht und sie hat es leider offen gelassen, wie genau das geschehen soll und mit welchen Maßnahmen diese Ziele erreicht werden sollen. Da sind wir in Deutschland auch gerade im Hintertreffen.

DOMRADIO.DE: Wichtig war auch, dass die Gelder, die momentan zur Stabilisierung der Wirtschaft mobilisiert werden, mit dem Klimaschutz verbunden werden. Dieses Thema kam auch auf.

Hentschke: Genau, das ist in ihrer Rede ein sehr wichtiger Punkt gewesen. Sie hat auch in ihrem wöchentlichen Podcast am Samstag noch mal sehr deutlich gemacht, dass der "Green Deal" auf europäischer Ebene ein Herzstück sein kann, um Klimaziele und wirtschaftlichen Aufschwung miteinander zu verbinden. Das sehen wir auch in ganz vielen anderen Beiträgen der letzten Wochen aus der Politik und aus der Wirtschaft.

Es haben sich am Montag vor der Konferenz über 68 Dax-Unternehmen geäußert, die auch dabei sind, die Klimaziele jetzt eben nicht herunterzufahren, sondern das Thema Klimaschutz zu nutzen, um aus der Krise zu kommen und in eine nachhaltige grüne Wirtschaft überzugehen.

Insofern ist das ein zentraler Punkt gewesen und ich war sehr froh, das zu hören. Wir denken, es könnte im Moment ein zentrales Thema sein, um auch aus der Krise hervorzugehen und so in eine widerstandsfähigere Gesellschaft und Wirtschaft zu gelangen, mit der wir auch der Klimakrise begegnen können.

DOMRADIO.DE: Wie gehen wir aus dieser Krise hervor? Welche wichtigen Weichen müssen gestellt werden, damit dieses europäische Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, einzuhalten ist?

Hentschke: Auf der einen Ebene müssen wir diplomatisch sein und auf der europäischen Ebene müssen jetzt die Beschlüsse gefasst werden, die Klimaziele zu erhöhen. Das muss möglichst zeitnah erfolgen. Einen Beschluss zur Klimaneutralität 2050 gibt es schon. Wir wünschen uns, dass wir dieses Signal der Europäischen Union dieses Jahr noch bekommen.

Das ist auch wichtig für die internationale Diplomatie. Die Zeitpläne sind zurzeit teilweise infrage gestellt. Die deutsche Kanzlerin hat es auch ein Stück weit selber in der Hand, mit der deutschen Ratspräsidentschaft, die in der zweiten Jahreshälfte beginnt. Dann müssen wir es auch mit klaren Maßnahmen hinterlegen.

Auf der europäischen Ebene muss es jetzt darum gehen, zu schauen, wie man Gelder so ausgeben kann, dass sie dem nicht zuwiderlaufen. Es gibt gerade Verhandlungen zum nächstjährigen Plan des Finanzrahmens. Dabei geht es darum, wie viel Geld in Landwirtschaft und andere Bereiche gesteckt wird, die sehr wichtig für die Erreichung der Klimaziele sind. Auf nationaler Ebene ist das Thema der Energiewende nach wie vor virulent.

Wir sehen, dass wir immer noch keine Lösung beim Zubau von Windenergie haben und auch der Deckel beim Photovoltaik-Zubau besteht noch. So werden wir auf lange Sicht die Klimaziele nicht erreichen, auch wenn uns jetzt Corona kurzfristig helfen wird, die Emission zu verringern. Die Leitlinien und die Sprache geht in die richtige Richtung, aber in der Konkretisierung ist das leider noch viel zu wenig.


Klimawandel: Ist es fünf vor zwölf? / © kelifamily (shutterstock)
Klimawandel: Ist es fünf vor zwölf? / © kelifamily ( shutterstock )
Quelle:
DR