Das griechisch-orthodoxe Patriarchat in Jerusalem

"Erste unter Gleichen"

Dubiose Landverkäufe und Prozesse an israelischen Gerichten bescheren der griechisch-orthodoxen Kirche im Heiligen Land derzeit viele Schlagzeilen. Historisch betrachtet sie sich als Mutterkirche aller Christen.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Klagemauer (dpa)
Klagemauer / ( dpa )

Den anderen Kirchen im Heiligen Land gilt sie als "Prima inter pares" und Mitbesitzerin der wichtigsten heiligen Stätten der Christenheit - die griechisch-orthodoxe Kirche. Sie ist die zahlenmäßig stärkste der dreizehn anerkannten Konfessionen Jerusalems. Als Nummer 141 in der apostolischen Nachfolge der griechisch-orthodoxen Kirche im Heiligen Land amtiert seit 2005 Patriarch Theophilos III. Kirchenprotokollarisch ist der Grieche mit dem sperrigen Titel "Patriarch der Heiligen Stadt Jerusalem, von ganz Palästina und Syrien, der Gebiete jenseits des Jordanflusses sowie von Kana in Galiläa und dem Heiligen Zion", die Nummer eins in Jerusalem.  

"Bruderschaft des heiligen Grabs"

Auch sonst gehört Theophilos III. zu den einflussreichsten Christen in der Region. In den Machtbereich seines autokephalen, also unabhängigen Patriarchats fallen 20 Metropoliten und Erzbischöfe, die "Bruderschaft des heiligen Grabs" mit 120 Mitgliedern, Dutzende Kirchen, Klöster und heilige Stätten sowie Ländereien in einem Umfang, der die griechisch-orthodoxe Kirche nach der israelischen Landbehörde zum größten Grundbesitzer des Landes macht. Dabei vergingen 400 Jahre, bis Jerusalem, obwohl es seit jeher einen Ehrenrang in der Kirche hatte, im Konzil von Chalcedon (451) in den Rang eines Patriarchats erhoben und damit den vier alten Patriarchatssitzen Rom, Konstantinopel, Alexandrien und Antiochien gleichgestellt wurde.

Sechs Vorgänger von Theophilos III., die Patriarchen der Jahre 1099 bis 1187, amtierten in den Wirren der Kreuzzüge und des "Lateinischen Königreichs" aus dem Exil in Konstantinopel. Jerusalem wurde in dieser Zeit sukzessive mit lateinischen Patriarchen besetzt. Erst mit dem Fall der Stadt an Sultan Saladin im Jahr 1187 kehrten die Griechen zurück nach Jerusalem und behaupteten ihre Vorrangstellung gegenüber den jüngeren Kirchen.

Kaum Zahlen vorhanden

Präzise Angaben zur aktuellen Zahl der Gläubigen gibt es für die Griechisch-Orthodoxen ebensowenig wie für die anderen Kirchen im Heiligen Land. Schätzungen des "Jerusalem Inter-Church Center" zufolge sind es rund 80.000 in Israel und Palästina, die Stiftung "Pro Oriente" geht für die vier Diözesen in Israel, Palästina und Jordanien sowie dem autonomen Erzbistum der Sinaihalbinsel von 120.000 Gläubigen aus. Damit stellen die Gemeinden unter Theophilos III. und seinem Klerus mehr als die Hälfte der Heiliglandchristen.

Gefeiert wird - auf griechisch und arabisch und dem julianischen Kalender folgend - im byzantinischen Ritus. Obwohl die Griechisch-Orthodoxen wie die anderen einheimischen Heiliglandchristen mehrheitlich arabischsprachige Palästinenser sind, ist die Hierarchie der Kirche stark griechisch geprägt. Nur zwei der zwanzig Metropoliten und Erzbischöfe sind gebürtige Palästinenser, und auch im wichtigsten Entscheidungsgremium, dem 18-köpfigen Heiligen Synod, sind die Einheimischen nur mit zwei Sitzen vertreten.

Seit Jahren zunehmende Verärgerung

Nicht nur in der Jerusalemer Kirchenlandschaft haben die Griechen großen Einfluss. Wichtige öffentliche Gebäude Israels wie die Knesset und das Israel-Museum stehen auf griechischem Kirchenland, ganze Stadtviertel Westjerusalems sind auf von der Kirche verpachtetem Land errichtet. Experten schätzen, dass zwischen einem Viertel und einem Drittel des Landes dem griechischen Patriarchat gehört. Beides, die griechische Herkunft der Führungsriege sowie deren Umgang mit dem Kirchenland, sorgt seit Jahren für zunehmende Verärgerung bei den orthodoxen Palästinensern. Sie fordern größere Mitbestimmungsrechte und eine Verwaltung des Kirchenguts im Sinne der palästinensisch-christlichen Sache.

In den vergangenen Monaten sind diese Forderungen lauter geworden, und zum zweiten Mal in kaum mehr als einem Jahrzehnt sieht sich ein Patriarch mit massiven Rücktrittsforderungen konfrontiert. Es scheint, als habe auch Theophilos III., 2005 zum Nachfolger des nach dubiosen Immobiliengeschäften abgesetzten Irinaios I. gewählt, das Vertrauen vieler arabischen Christen verloren.


Quelle:
DR
Mehr zum Thema