Trauerexpertin begrüßt NRW-Entscheidung zu Beerdigungen

„Das Bedürfnis, Abschied zu nehmen, ist groß“

Gemeinsam Trauern ist wichtig, um den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Was das mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit zu tun hat und welche Aktualisierungen im Erzbistum Köln gelten, erklärt Eva-Maria Will.

Familienmitglieder auf dem Weg zum Grab - Symbolbild Beerdigung / © Kzenon (shutterstock)
Familienmitglieder auf dem Weg zum Grab - Symbolbild Beerdigung / © Kzenon ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, das erleichtert den Angehörigen die Trauer, dass sie jetzt wieder gemeinsam Abschied nehmen können?

Eva-Maria Will (Referentin für Trauerpastoral im Erzbistum Köln): Ich denke, in jedem Fall ist das so. Was die Teilnahme-Beschränkungen anbetrifft, da sind die liturgischen Bestimmungen in der Corona-Zeit für das Erzbistum Köln jetzt auch gerade ganz aktuell, ganz neu durch den Generalvikar aktualisiert worden, und zwar im Sinne der Hinterbliebenen.

Hintergrund ist eine Entscheidung der Düsseldorfer Staatskanzlei. Die bewertet nämlich die kirchliche Trauerfeier, also den Gottesdienst und die Beerdigung auf dem Friedhof, als Versammlung zur Religionsausübung. Und da geht es also um das Grundrecht auf Religionsfreiheit, das hier angewendet wird. Und das heißt, dass aus diesem Grunde die so genannte Bundesnotbremse des Infektionsschutzgesetzes hier nicht greift. Und das bedeutet, dass es bei Veranstaltungen im Zusammenhang eines Todesfalles keine Teilnehmerbeschränkungen auf 30 Personen gibt. An kirchlichen Beerdigungen können theoretisch also mehr als 30 Personen teilnehmen.

Allerdings, und das ist jetzt dann wieder eine Einschränkung, gilt das in Nordrhein-Westfalen nicht für die privaten Zusammenkünfte vor oder auch nach der Trauerfeier bzw. der Beerdigung. Das betrifft den Trauerkaffee, also den Beerdigungskaffee. Das bedeutet nämlich nicht, dass da jetzt auch entsprechend viele Menschen kommen können, sondern hier gilt dann tatsächlich die Beschränkung auf maximal 30 Personen. Aber immerhin besteht eine Möglichkeit, auch da eine Ausnahme zu erwirken und dafür ist dann immer die jeweilige Kommune zuständig.

DOMRADIO.DE: Man merkt das ja wirklich ganz deutlich. Zum Beispiel im Moment, wenn ein Prominenter stirbt. Diese Woche, viel zu jung, der Moderator Jan Hahn oder Willi Herren. Dann kommen trotz Corona ganz viele Menschen auch zur Beisetzung oder sie möchten das zumindest gerne. Was würden Sie sagen, warum gibt es eigentlich dieses Bedürfnis nach gemeinsamer Trauer, selbst wenn es sich gar nicht um einen Familienangehörigen oder einen engen Freund handelt?

Will: Da ist sicherlich ein ganz großes Bedürfnis da. Gerade wenn jetzt so ein Mensch aus dem öffentlichen Leben gerissen wird, dann gibt es natürlich auch viele Fans, die kommen möchten. Aber auch bei jedem anderen Menschen der stirbt gibt es ja die enge Familie, es gibt Verwandte, es gibt Freunde, es gibt Nachbarn, es gibt Arbeitskollegen die auch das Bedürfnis haben, von diesem Menschen Abschied zu nehmen und dann eben an einer Trauerfeier, an einem Gottesdienst, an der Beerdigung teilzunehmen. Das ist in diesem Falle nichts Besonderes.

Und gerade auch jetzt, sie sprachen Willi Herren an, der ist ja in den vergangenen Tagen beerdigt worden, da sind sicherlich auch mehr als 30 Personen gekommen. Und eben in Köln ist auch diese Regelung, dass da tatsächlich mehr Personen kommen können, aber immer unter den bekannten Hygieneregeln.

Grundsätzlich gibt es da jetzt keinen Prominenten-Bonus. Jeder kann für jeden Verstorbenen bei der Kommune eine Ausnahmeregelung beantragen. Das, denke ich, ist auch eine gute Sache. Davon wird auch Gebrauch gemacht, damit möglichst viele öffentlich Abschied nehmen können. Und ich denke, dass es eine ganz gute Einrichtung ist.

DOMRADIO.DE: Heißt das, es wird im Allgemeinen vielleicht auch ein bisschen unterschätzt, wie wichtig es für eine gelungene Trauerarbeit wirklich ist, dass man auch in größerer Zahl zusammenkommen kann?

Will: Was heißt unterschätzt? Ich denke, dass das vielen schon auch klar ist, dass es wichtig ist, dass man als Gemeinschaft zusammenkommt. Es ist generell wichtig, in Gemeinschaft zu trauern. Es gibt ja ein Sprichwort das besagt: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und ich denke, dass da wirklich ganz viel Wahres dran ist.

Denn es entlastet ja die Hinterbliebenen, wenn andere Menschen da sind, die ihr Leid mittragen. Und das ist ja der Grund, warum dann Menschen zusammenkommen, eine Trauergemeinde zusammenkommt. Die wollen ja auf der einen Seite den Verstorbenen zu Grabe tragen, bestatten, aber auch die Hinterbliebenen unterstützen. Und dadurch spenden sie auch Trost - einfach, dass sie da sind.

Und das ist ja auch der Grund, warum die Kirche zum Beispiel auch von anonymen Bestattungen abrät. Da ist es ja so, dass der Tote meist ohne Beteiligung der Angehörigen und ohne einen Ritus beigesetzt wird. Und nachher hat auch die Grabstätte nicht mal einen Namen, also ist nicht dadurch gekennzeichnet. Und im Nachhinein erweist sich das eben oft als eine Belastung für den Trauerprozess.

Und gerade in Corona-Zeiten haben viele Menschen das ja notgedrungen erleben müssen. Sie wurden ausgeschlossen und viele leiden auch darunter. Und deswegen war es ja gut, dass am 18. April die zentrale, kollektive Gedenkfeier in Berlin stattgefunden hat für die Corona-Toten. Und ich bin mir sicher, dass das ganz vielen Menschen in ihrem Trauerprozess gut getan hat.

Das Interview führte Verena Tröster.


Trauerexpertin Eva-Maria Will / © Beatrice Tomasetti (DR)
Trauerexpertin Eva-Maria Will / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR