Hilfswerk fordert mehr Aufmerksamkeit für verfolgte Frauen

"Darüber spricht man nicht"

Weltweit steigt die Zahl der Menschen, die aufgrund ihres christlichen Glaubens unterdrückt oder verfolgt werden. Besonders betroffen sind Mädchen und Frauen, so Kirche in Not. Das Hilfswerk will auf das Tabuthema aufmerksam machen. 

Eine Frau betet zu einer Marienfigur im Irak / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Eine Frau betet zu einer Marienfigur im Irak / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

DOMRADIO.DE: Heute wollen Sie besonders den Blick auf verfolgte christliche Mädchen und Frauen lenken. Warum? 

Florian Ripka (Geschäftsführer der deutschen Sektion des päpstlichen Hilfswerks Kirche in Not): Wir haben schon mit unserer großen Studie "Religionsfreiheit weltweit", die wir letztes Jahr vorgestellt haben, herausgefunden, dass eine Gruppe von Menschen, nämlich Mädchen und Frauen, besonders gefährdet sind. Wir haben herausgestellt, dass Verbrechen, Gewaltverbrechen, sexualisierte Verbrechen gegen diese Gruppe auch als Waffe im Krieg benutzt werden und etwa vorherrschende islamistische Gruppen so Christen unterdrücken. 

DOMRADIO.DE: Die Verbrechen gegen christliche Frauen und Mädchen sind weltweit angestiegen. Welche Länder machen Ihnen da ganz besonders Sorgen? 

Ripka: Es ist schon seit Jahrzehnten so, dass diese Verbrechen als Waffe eingesetzt wird, aber in den letzten Jahren gab es ein wachsendes Bewusstsein dafür. Wir helfen hier vor allem in Ägypten, haben aber auch in Mosambik, in Syrien, in Nigeria - überall in den sogenannten "failed states" - eine Tendenz beobachtet, dass Frauen entführt werden, sie zur Konversion gezwungen werden und ihre Kinder und die ganzen Familien den Glauben wechseln mussten. Wir haben festgestellt, dass gerade in diesen Ländern die Situation schlimmer geworden ist. 

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt die Corona-Pandemie in dieser Entwicklung? 

Ripka: Corona war eigentlich ein Katalysator für jedwede schlechte Entwicklung. Und gerade hier auch, weil die Staaten natürlich mit anderen Dingen beschäftigt waren. In diesen Ländern herrschte sowieso ein hohes Maß an Unordnung im staatlichen Sinne. Corona hat das natürlich alles noch verstärkt und auch die Polizei und gerichtlichen Instanzen in ihrer Wirkung geschwächt. Es gibt durchaus auch positive Ansätze, aber Corona hat alles durcheinandergebracht, weil der Staat nicht mehr anständig funktioniert hat. 

DOMRADIO.DE: Was können Sie tun? Wie kann den Frauen und Mädchen geholfen werden, aus dieser Lage herauszukommen? 

Ripka: Das erste und wichtigste ist, dass ein Bewusstsein geschaffen wird. Das ist ein sehr heikles Thema, auch in Ländern mit anderen kulturellen Hintergründen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, denn es stigmatisiert die ganze Familie, die ganze Gemeinschaft.

Dieses Thema aus dem Dunkel zu holen und unseren Politikern, unseren Entscheidungsträgern, auch den Wirtschaftsunternehmen klarzumachen: Wenn ihr in diese Länder geht und Beziehungen aufbauen wollt, dann schaut auf die Menschenrechte, schaut insbesondere auch auf die Frauen, ist eine Aufgabe. Unsere neue Regierung hat gesagt, das stehe im Koalitionsvertrag, dass gegen Hassverbrechen gegen Frauen gearbeitet werden soll.

Und das soll auch in diesen Ländern gelten, in denen wir diese Verbrechen festgestellt haben. Für uns ist es auch ganz wichtig, dafür zu beten und uns dafür zu interessieren. 

DOMRADIO.DE: Sie wollen auch eine neue Studie unter dem Titel "Hört Ihre Schreie" vorstellen. Was haben Sie da zusammengetragen? 

Ripka: Wir haben aus sechs verschiedenen Ländern Fallstudien zusammengetragen und auch, was es an Quellen zu diesem Thema gibt  Diese werden wir am 19. Januar in Berlin vorstellen und hoffen, dass es auch eine Wirkung hat bis in diese Länder hinein. 

DOMRADIO.DE: Sie wollen mit dieser Studie eine gesellschaftliche Debatte anstoßen. Was fehlt Ihnen da bislang? 

Ripka: Uns fehlt ganz einfach das Interesse. In Deutschland ist dieses Thema offensichtlich noch nicht so sehr im Fokus der Entscheidungsträger. Das wollen wir ändern. Natürlich sind Mädchen und Frauen eine schwache Gruppe und in Deutschland wird das ja auch Gott sei Dank gesehen, wenn es da auch aufgrund anderer Entwicklungen zu Schwierigkeiten kommen kann.

Aber das muss auch für Länder gelten, die wir gerne als "Entwicklungsländer" bezeichnen, denn ich glaube, Deutschland hat da schon einen Einfluss. Das haben wir immer wieder festgestellt. Wenn ein Parlamentarier, wenn ein Unternehmer aus dem Westen etwa einen Missstand in diesen Ländern anspricht, dann stellen wir fest, dass sich bald auch etwas zum Positiven ändert. Diesen Effekt wollen wir anstoßen. 

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt für Ihre Arbeit der neue "Glaubenskompass über den heiligen Stephanus"? 

Ripka: Das Herzensanliegen von "Kirche in Not" ist ja die verfolgte Kirche, sind die Märtyrer, sind diejenigen, die für den Glauben leiden und sterben. Und Stephanus war der Bibel zufolge der Erste, der das Wort Gottes frei verkündet hat und dafür sein Leben lassen musste. Dies aber nicht in einem Greuel tat, sondern so ähnlich wie Jesus auch seinen Peinigern, seinen Mördern verziehen hat.

Ich denke, diese Haltung und dieses Zeugnis ist beispielhaft und soll uns ermutigen, die verfolgten Christen nicht zu vergessen, insbesondere nicht am heutigen Tag. 

Das Interview führte Carsten Döpp. 


Kirche in Not-Geschäftsführer Florian Ripka / © Beatrice Tomasetti (DR)
Kirche in Not-Geschäftsführer Florian Ripka / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR
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