Dalai Lama mit offiziellen Ehren in Hamburg empfangen

"Ozean der Weisheit" in Deutschland

Der Ozean der Weisheit gluckst. Oder flüstert. Oder schweigt.
Egal in welchem Aggregatzustand: Der Dalai Lama (übersetzt "Ozean der Weisheit") füllt jeden Raum, in dem er sich gerade befindet. Es ist das außergewöhnliche Charisma dieses Religionsführers, das einen Teil seiner Faszination ausmacht. Mit offiziellen Ehren ist der Dalai Lama am Donnerstag in Hamburg empfangen worden.

 (DR)


Einzigartige Rolle auf der politischen Weltbühne
Ein anderer Teil ist seine bizarre Geschichte - und die einzigartige Rolle, die er auf der politischen Weltbühne spielt: Reinkarnation eines Gottes, König ohne Land, hofierter Flüchtling oder Unperson auf Zeit, freundlicher Friedensmahner, stiller Popstar der Weltreligionen, Stachel im Fleisch profitorientierter China-Politiker. Am Donnerstag kommt das weltliche und geistliche Oberhaupt der Tibeter für zehn Tage zu Besuch nach Deutschland.

Seit fast einem halben Jahrhundert ist der 14. Dalai Lama überall auf der Welt zu finden - nur nicht dort, wo er historisch eigentlich hingehört: in Tibet. 1959 musste er vor den chinesischen Besatzern nach Indien fliehen, wo er heute noch Besucher aus aller Welt in seinem Hauptquartier in Dharamsala empfängt.

Seit einem halben Jahrhundert hat Peking nicht aufgehört, das "Dach der Welt" durch Umsiedlungen und "Stadtsanierungen" immer chinesischer zu machen - und den Dalai Lama durch immer neue Vorwürfe zu diskreditieren: Die reaktionäre Haltung des Dalai Lama im Ausland unterminiere die chinesischen Bemühungen um die wirtschaftliche Entwicklung Tibets - weshalb er mehr und mehr an Rückhalt bei den eigenen Leute verliere. Fotos von ihm sind in der Region bis heute verboten.

Immer wieder Vorschläge zum Tibet-Status
Tatsächlich scharren zu Hause einige "junge Wilde" unter den Tibetern ungeduldig mit den Hufen - allerdings aus einem anderen Grund. Sie glauben, der stets höflich lächelnde und so ganz und gar gewaltfreie Exil-König mache dem Besatzer ohne Not zu viele Zugeständnisse. Denn der kleine Mann mit dem rot-gelben Gewand klebt keineswegs an dem Stuhl, den er seit 48 Jahren ohnehin nicht mehr hat. Im Lauf der Jahre hat der Dalai Lama immer wieder Vorschläge zum Tibet-Status gemacht, die der verfahrenen Situation neue Impulse geben könnten - etwa eine Anerkennung der chinesischen Oberhoheit bei gleichzeitiger Gewährung einer echten Autonomie. Doch Peking will davon nichts wissen.

Auch über seine eigene Rolle und die Zukunft seines Amtes meditiert der Friedensnobelpreisträger von 1989 bereits seit langem. Der Dalai Lama müsse nicht weltliches Oberhaupt der Tibeter bleiben, meint er. Wenn eine Jahrhunderte alte Institution sich in der modernen Zeit überholt habe, müsse man sie abschaffen. Die religiöse Dimension des Amtes bleibe jedoch auch in den kommenden Reinkarnationen erhalten.

"Buddha-Boom"
Wo er als nächster Dalai Lama wiedergeboren werden wird, da hat er sich bereits grob festgelegt: außerhalb des besetzten Tibet, dem Zugriff und der Manipulation Chinas entzogen. Auch wenn die Suche der Lama-Mönche damit noch länger dauern könnte als sonst - eine Verstetigung des Konflikts wäre so vorprogrammiert.

Der 14. Dalai Lama, der mit seinem konsequenten Eintreten für Gewaltlosigkeit in den USA und in Europa einen regelrechten "Buddha-Boom" auslöste, träumt mit 72 Jahren von einem "Ruhestand", in dem er sich ganz der Meditation, seinen geliebten Blumen und Taschenuhren widmen kann. Doch eine weltweite Symbolfigur ist immer im Dienst. Und hält die Eiferer schon durch bloße Anwesenheit und ein gewinnendes Lächeln in Schach.

10 Tage in Deutschland
Der Friedensnobelpreisträger war am Vormittag mit seiner Privatmaschine auf dem Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel gelandet. Er wurde von Vertretern des Tibetischen Zentrums Hamburg begrüßt, die ihn eingeladen hatten. Es ist nach 1982, 1991 und 1998 der vierte Besuch in Hamburg. Das Tibetische Zentrum feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen.

Ab Samstag wird der 72-Jährige eine Woche lang im Tennisstadion am Rothenbaum Vorträge halten. Zu den Veranstaltungen werden etwa 30 000 Menschen aus mehr als 30 Ländern erwartet.

Bereits am Freitag ist der Dalai Lama Gast auf dem Internationalen Kongress buddhistischer Nonnen an der Hamburger Universität. Er wird dort am Asien-Afrika-Institut einen Vortrag halten. Dabei werden auch Signale für die Neuetablierung eines Nonnenordens erwartet, wie es ihn früher gegeben hatte. Voll ordinierte Nonnen gibt es heute nur noch in Taiwan, Korea und Vietnam. Vor 25 Jahren hatte der Dalai Lama an der Hamburger Universität seine erste offizielle Rede in Deutschland gehalten.

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