Credo-Reihe: Woran Pastoralreferentin Dickopf-Nussbaum wirklich glaubt

"Sich immer wieder auffüllen lassen von der Liebe Gottes"

Auch Glaubende haben Zweifel. Trotzdem halten sie sich an etwas fest, das ihnen Kraft gibt und sie trägt – jenseits aller Dogmen und Glaubenssätze. So hilft Carola Dickopf-Nussbaum bei ihrem persönlichen Credo das Da-Sein für andere.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Carola Dickopf-Nussbaum / © Isabelle Menzel
Carola Dickopf-Nussbaum / © Isabelle Menzel

DOMRADIO.DE: Frau Dickopf-Nussbaum, wie stellen Sie sich Gott vor, und wann wird er für Sie erfahrbar?

Carola Dickopf-Nussbaum (Pastoralreferentin in Bonn-Mitte): Für mich ist am wichtigsten, dass Gott für mich ein "Du", ein "Gegenüber" ist, das an einer persönlichen Beziehung mit einem jeden von uns Menschen interessiert ist. Daran glaube ich, weil sich Gott uns Menschen in der Person Jesu Christi ganz gezeigt hat. Im Kolosserbrief 1,15 heißt es beispielsweise, dass Jesus Christus das "Ebenbild des unsichtbaren Gottes" ist. Das bedeutet, dass wir durch die Art und Weise, wie Jesus gelebt hat, sowie durch seine Worte und Taten erkennen können, wie Gott ist. Das sind meine Hoffnung und mein Glaube, die mich als Christin tragen. Jesus nennt Gott "Vater". Um genau zu sein, ruft er ihn sogar ganz zärtlich "Abba" – Väterchen – was von einer engen, vertrauensvollen Beziehung zeugt. Jesus möchte uns in die Art und Weise, wie er seine Beziehung zu seinem "Vater im Himmel" lebt, mit hineinnehmen, sodass auch wir Gott als unseren Vater bezeichnen dürfen. 

Die Bibel beschreibt Gott auch noch in vielen anderen Bildern, zum Beispiel als Freund, Hirte oder Arzt. Ich bin davon überzeugt, dass Gott jedem Menschen in der individuellen Sprache seines Herzens begegnen kann. Denn wer sonst sollte sie zu sprechen wissen, wenn nicht Gott, der unser Schöpfer ist: "Du selbst hast mein Innerstes geschaffen, hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter", hören wir im Psalm 139. Sehr ansprechend finde ich auch den Leitgedanken ignatianischer Spiritualität, der besagt, dass wir Gott in allen Dingen suchen und finden können. Anders ausgedrückt: Alles, was wir erleben, kann ein Gesprächsanlass für uns mit Gott sein. Hier hat jede Begebenheit, jede Emotion Platz: Freude, Trauer, Angst, Enttäuschung, Wut – alles können wir in den Dialog mit Gott bringen. 

Carola Dickopf-Nussbaum

"Als Katholikin vertraue ich – aufbauend auf der Tradition und dem Schatz der Kirche – darauf, dass ich Jesus Christus auch in den Sakramenten, in der Eucharistiefeier oder im Sakrament der Versöhnung, ganz konkret erfahren und ihm da begegnen kann."

Und ich erlebe immer wieder, dass dies nicht unbeantwortet bleibt. Manchmal berührt mich ein Vers aus der Bibel, ein Liedtext, die Begegnung mit einem Menschen, der Satz eines Freundes. Oder ich erlebe Gottes leises Säuseln und seinen Geist des Friedens in der Natur, in der Stille oder in der Musik. Zudem vertraue ich als Katholikin – aufbauend auf der Tradition und dem Schatz der Kirche – darauf, dass ich Jesus Christus auch in den Sakramenten, in der Eucharistiefeier oder im Sakrament der Versöhnung, ganz konkret erfahren und ihm da begegnen kann. 

DOMRADIO.DE: Gab es schon Situationen, in denen Sie mit Gott gehadert oder Ihren Glauben infrage gestellt haben? Und wenn ja, was hat Ihnen da geholfen?

Dickopf-Nussbaum: Natürlich habe ich auch Situationen erlebt, in denen mein Glaube und mein Vertrauen in Gott herausgefordert wurden: in persönlichen Lebenskrisen oder im Miterleben der Leiderfahrungen anderer. Für mich ist hier das Entscheidende, in der radikalsten Ehrlichkeit vor Gott zu treten, auch mit aller Klage, allem Schmerz, vielleicht sogar mit Schweigen. Gott hält das aus. Er ist der "Ich bin da", der unser Leid kennt, der mitfühlt. 

Praktische Gemeindeerfahrungen hat Carola Dickopf-Nussbaum 2020 in Bensberg gesammelt, hier mit Firmanden.  / © Beatrice Tomasetti (DR)
Praktische Gemeindeerfahrungen hat Carola Dickopf-Nussbaum 2020 in Bensberg gesammelt, hier mit Firmanden. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Hier ist mir persönlich auch das Bild vom guten Hirten wichtig geworden, und ich durfte erfahren: "Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich", wie es im Psalm 23 heißt. So hat mich immer wieder das Wort Gottes in besonderer Weise gestärkt und ermutigt. Aber mindestens genauso wichtig waren für mich auch andere Menschen, die im Glauben verwurzelt sind; Menschen, die für mich und mit mir gehofft, gebetet und vertraut haben, als es mir selbst schwergefallen ist.

DOMRADIO.DE: Neben Ihrem Theologiestudium haben Sie den separaten Studiengang "Theologie des Leibes" nach Johannes Paul II. mit den Themenschwerpunkten Ehe, Sexualität und Spiritualität absolviert und vor drei Jahren eine psychologische Weiterbildung zur Ehe-, Familien- und Lebensberaterin abgeschlossen, die Sie zur Mitarbeiterin der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen in Bonn qualifiziert. Vor wenigen Wochen sind Sie von Erzbischof Woelki für den Gemeindedienst beauftragt worden. Wie sehr greift in Ihrem Alltag der Kompass Ihres katholischen Glaubens? Welche Erfahrungen machen Sie, wenn Sie davon berichten, dass Sie Ihr Leben in den Dienst der Kirche stellen?

Dickopf-Nussbaum: Genau genommen hat alles damit begonnen, dass mein Glaube für mich Kompass meines Alltags war und ich als Christin aus der Beziehung zu Jesus Christus heraus meinen Glauben im Alltag leben wollte. Je mehr ich jedoch entdeckt habe, welchen Schatz und welche Kraftquelle der Glaube für mein persönliches Leben darstellt, je mehr ich Jesus Christus kennengelernt habe, mich die Beziehung zu Jesus Christus mit Freude erfüllt hat und sie mir auch durch Krisen hindurch zu einer immer kostbareren Kraftquelle wurde, umso mehr wuchs auch der Wunsch in mir, diesen kostbaren Schatz zu teilen und an andere weiterzugeben. "Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund", sagt der Evangelist Lukas. Das war nicht nur das Motto unserer Beauftragungsfeier im September, sondern beschreibt auch, was ich in Bezug auf meine Entscheidung, mich nach dem Theologiestudium in den pastoralen Dienst zu stellen, erlebt habe. 

Carola Dickopf-Nussbaum

"Menschen in den unterschiedlichsten, oft auch sehr schmerzlichen Lebenssituationen zu begleiten, fühlt sich stets an wie Heiligen Boden zu betreten."

Auch die Schönheit der "Theologie des Leibes", wie sie Johannes Paul II. in seinen Mittwochskatechesen verkündet hat, hat mich stets fasziniert und geprägt. Gleichzeitig erleben wir in unserer Welt immer wieder die Fragilität und Brüchigkeit von Beziehungen und ein komplexes Zusammenspiel von Herausforderungen auf der Suche nach einem gelingenden Leben. Hier braucht es in krisenhaften Zeiten manchmal Unterstützung, um Knoten in Beziehungsdynamiken zu lösen, einflussreiche biografische und familiäre Prägungen zu erkennen und ein vertieftes Verständnis füreinander zu entwickeln. 

Gruppenbild bei der Beauftragungsfeier aller Pastoral- und Gemeindereferenten am 13. September mit Kardinal Woelki. / © Bernd Kämmerer
Gruppenbild bei der Beauftragungsfeier aller Pastoral- und Gemeindereferenten am 13. September mit Kardinal Woelki. / © Bernd Kämmerer

Dabei kann das Angebot der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen eine hilfreiche Unterstützung darstellen. Für mich gehört es im pastoralen Dienst zu meinem Grundverständnis als Seelsorgerin dazu, das "Dasein" und "Mitsein" Gottes auch durch mein Leben und Handeln erfahrbar werden zu lassen – das heißt, ansprechbar zu sein für Einzelne, Paare und Familien. Mich dazu fachlich für psychologische Beratungsgespräche weiterzuqualifizieren, hat mich und mein Handeln in der Seelsorge sehr bereichert. 

Carola Dickopf-Nussbaum

"Das Schmerzliche und Schwere mit auszuhalten (…) erlebe ich als etwas sehr Erfüllendes."

Menschen in den unterschiedlichsten, oft auch sehr schmerzlichen Lebenssituationen zu begleiten, fühlt sich stets an wie Heiligen Boden zu betreten. Hier das Schmerzliche und Schwere mit auszuhalten und ein wenig an der Verständigung oder der Gewinnung neuer Perspektiven und neuer Hoffnung mitzuwirken, erlebe ich als etwas sehr Erfüllendes. Zwar habe ich als Pastoralreferentin im Dienst der Verkündigung eine andere Rolle als in der Begleitung von Menschen im psychologischen Beratungskontext, und doch sind es für mich zwei Seiten einer Medaille – eines brennenden Herzens für Gott und die Menschen. Wo auch immer ich mich leidenschaftlich engagiere oder hineingebe, spüren das die Menschen. Beides ist mir wichtig: als Pastoralreferentin von der Hoffnung zu künden, die mich erfüllt, und gleichzeitig als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin Menschen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen hin zu neuer Selbstwirksamkeit begleiten zu dürfen. 

DOMRADIO.DE: Wie sehr wirkt sich das, was Sie tun, auf Ihren Glauben aus? Und umgekehrt: Wie notwendig ist der Glaube für Ihr eigenes Selbstverständnis, aber auch für Ihr Wirken innerhalb der Kirche?

Dickopf-Nussbaum: Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Gott durch Begegnungen oder auch mein pastorales bzw. katechetisches Engagement zu mir spricht. Beispielsweise bei der Vorbereitung geistlicher Impulse oder einer anschaulichen Katechese für Kinder in Schulgottesdiensten. Es gibt jedoch auch immer wieder herausfordernde Zeiten und Durststrecken. Gerade im pastoralen Dienst, wo ich immerzu "produzieren" und "geben" muss, ist es wichtig, mich auch immer wieder auffüllen zu lassen, bzw. dem Feuer im eigenen Herzen immer wieder "Futter" zu geben, sodass es brennt und nicht ausbrennt.

Carola Dickopf-Nussbaum als Lektorin am Ambo. / © Bernd Kämmerer
Carola Dickopf-Nussbaum als Lektorin am Ambo. / © Bernd Kämmerer

Sehr weise und ansprechend finde ich auch das Bild von der "überfließenden Schale" des Heiligen Bernhard von Clairvaux. Die Schale wartet, bis sie gefüllt ist. Dann fließt sie über und gibt weiter, ohne dabei leer zu werden. So muss auch ich mich immer wieder "auffüllen lassen" von der Liebe Gottes. Daher sind mein persönlicher Glaube und meine persönliche Beziehung zu Jesus Christus auch die Quelle für mein Wirken in der Kirche.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.

Quelle:
DR

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