"Christians for Future" kritisieren Habecks Kernenergie-Plan

"Völlig verantwortungslos"

Wenn es im Winter mit dem Gas eng wird, sollen im Notfall zwei Atomkraftwerke Energie für Deutschland liefern. Harte Worte gibt es dafür von christlichen Klimaschützern, die stattdessen mehr Engagement für erneuerbare Energien wollen.

Radioaktive Fässer / © Dotted Yeti (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Zwei deutsche Atomkraftwerke sollen "zur Sicherheit" am Netz bleiben. Wie stehen Sie zu dem Kompromiss, den Robert Habeck da vorhat?

Michael Streubel / © Michael Streubel (privat)
Michael Streubel / © Michael Streubel ( privat )

Michael Streubel (Christians for Future): Es ist für uns völlig verantwortungslos. Es wird hier weiter gezündelt mit einer Hochrisikotechnologie, die schon immer einen wahnwitzigen und verantwortungslosen Weg dargestellt hat – und das auch noch mit alten AKWs. Wir lehnen das vehement ab, aus Gründen, die wir noch erörtern können. Wir "Christians" kämpfen auf Seiten der gesamten "For Future"-Bewegung vehement gegen den Ausverkauf der Mitschöpfung und die Atommüll-Berge. Auch die radiotoxische Belastung der Umwelt ist ein solcher Ausverkauf. Da finden wir keinen Kompromiss.

DOMRADIO.DE: Warum genau lehnen Sie die Verlängerung des Betriebs der Atomkraftwerke ab? Es geht ja nur um eine gewisse Zeit.

Streubel: Aus den besagten Gründen. Weil es verantwortungslos ist, diese Risikotechnologie auch nur eine Minute weiterlaufen zu lassen. Und weil regelrechte Berge von Atommüll produziert werden, bei denen kein Mensch weiß, wie man damit umgeht. Weder heute noch für eine Vielzahl zukünftiger Generationen. Es gibt weit und breit kein sicheres Endlager für Atommüll und deswegen ist das Ganze einfach verantwortungslos.

Im Übrigen sind die Sicherheitsüberprüfungen seit mehr als zehn Jahren für diese in Frage stehenden AKWs nicht mehr durchgeführt worden. Also man geht einfach weiter auf diesem Weg des Hochrisikos.

DOMRADIO.DE: Sie sagen ja, dass es uralte Meiler sind, die in Deutschland weiterbetrieben werden sollen. Aber sind die deutschen Standards nicht besser als die im Ausland, von wo wir Strom beziehen, wenn es bei uns knapp wird?

Streubel: Es spielt keine Rolle, ob Standards sich wenig unterscheiden. Es geht darum, was ich ja schon sagte, dass Kernenergie eine Hochrisikotechnologie darstellt, dass Atommüll in Massen produziert wird. Und über die radiotoxische Belastung der Umwelt wird merkwürdigerweise heute gar nicht mehr so viel geredet. Das war in Zeiten des Baus der AKWs ein Thema. Aber sie ist da, das heißt die Belastung der Umwelt mit radioaktiven Stoffen. Und das geschieht bei der einen Generation von Meilern ein bisschen mehr, bei der anderen schon ein bisschen weniger. Auf jeden Fall wird die Umwelt belastet.

DOMRADIO.DE: Jetzt ist ja die Verlängerung der AKW-Laufzeiten auch eine soziale Frage. Die Strompreise sinken, wenn man die Atomkraftwerke wieder anschmeißt. Ist das nicht jetzt in dem Fall wichtiger als Ideologie?

Streubel: Na ja, also erst mal spreche ich hier nicht über Ideologie, das möchte ich mal betonen, sondern meine Aussagen, die ich bisher getroffen habe, sind Stand der Diskussion und der Erkenntnisse aus den Zeiten der 80er und 90er Jahre, als die Meiler gebaut wurden. Das möchte ich mal sagen. Also ich denke, wir vertreten hier einen verantwortungsvollen Standpunkt und alle anderen Debatten-Beiträge sind eher verantwortungslos.

Im Übrigen würde der produzierte Strom nach Berechnungen von Greenpeace gerade mal ein Prozent des deutschen Strommix ausmachen. Würde man also zum Beispiel einen Streckbetrieb machen – das muss man sich mal vorstellen – und die Einsparungen im Gesamtverbrauch von Gas bei einer Weiterführung des AKW-Betriebs, die liegen nur im Promillebereich. Der Knackpunkt ist: Eine Wärme-geführte Stromproduktion, die von Gaskraftwerken durchgeführt wird, können AKWs überhaupt nicht ersetzen. Wir haben ein Wärmeproblem, kein Stromproblem. Wir haben nur das eine Stromproblem, auf das Robert Habeck ja auch am Montagabend hingewiesen hat, dass nämlich die viel gepriesene Atomtechnologie in Frankreich darnieder liegt und wir deswegen aufgefordert sein könnten, dorthin Strom zu liefern.

DOMRADIO.DE: Und welches wäre dann Ihr Alternativvorschlag, wie wir durch den vielleicht ja energiearmen Winter kommen?

Streubel: Der Alternativvorschlag ist, dass man mit der gleichen Energie, mit der man jetzt an diesen Problemen hier rumdiskutiert und versucht alte Meiler, die ja im Übrigen auch noch mal einer neuen Genehmigung bedürfen – es bedarf dafür auch rechtlicher Änderungen im Bezug auf das Atomausstiegsgesetz – mit der gleichen Energie müssten eben alternative, also erneuerbare Energien ausgebaut werden, vor allem in Bayern, das ja das Energieproblem im Wesentlichen mit erzeugt hat. Und es müssten Stromeinsparungen in den öffentlichen Gebäuden und in der Industrie vorgeschrieben werden.

Debatte um Weiterbetrieb der Atomkraftwerke

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich hinter den Vorschlag von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gestellt, über den Jahreswechsel hinaus zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke als Notreserve bereitzuhalten. "Grundsätzlich bleibt es beim Ausstieg aus der Atomenergie", sagte der SPD-Politiker in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch).

Bundeskanzler Olaf Scholz beim Petersberger Klimadialog  / © Christoph Soeder (dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz beim Petersberger Klimadialog / © Christoph Soeder ( dpa )

Das Interview führte Heike Sicconi.

 

Quelle:
DR