Katholikenkomitee kritisiert EU-Beschluss zur Atomkraft

"Das ist eine fatale Entscheidung"

Trotz starker Kritik hat sich im Europaparlament eine Mehrheit hinter den Plan gestellt, Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist entsetzt.

Atomkraftwerk / © Lutsenko_Oleksandr (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Nachdem das Europaparlament am Mittwoch den Weg zur Deklaration von Atomkraft und Gas als nachhaltige Energie frei gemacht hat, haben Umweltschützer und Sozialaktivisten den Entscheid kritisiert. Wie steht das Zentralkomitee der deutschen Katholiken dazu?

Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Zentralkomotees der deutschen Katholiken / ZdK): Wir kritisieren diese Entscheidung deutlich. Wir hatten im Vorfeld ja gemahnt, hier nicht die falsche Entscheidung zu treffen. Nicht erst seit gestern befassen wir uns als Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit den Fragen sozialökologischen Umbaus, zuletzt mit einem Präsidiumsbeschluss von 2022. Für uns ist das partout keine gute EU-Entscheidung.

Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / © Dieter Mayr (KNA)
Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken / © Dieter Mayr ( KNA )

DOMRADIO.DE: 278 Abgeordnete haben dafür gestimmt. Das ist noch nicht mal eine relative Mehrheit. Fehlt da nicht der demokratische Rückhalt, wenn so ein Thema, das auch für die Zukunft eine große Rolle spielt, nur mit Mühe und Not durchgekommen ist?

Stetter-Karp: Wir wissen von vielen, zu denen wir Kontakt hatten und haben, dass sie ihre Entscheidung in unserem Sinne getroffen haben. Wir müssen das Ergebnis zur Kenntnis nehmen. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass manche auf den allerersten Blick denken, es sei ein Spezialistenthema. Ob das auch innerhalb des Parlaments so ist, weiß ich nicht sicher.

Aber es ist mir wichtig zu sagen, dass die Frage nach einer entschiedenen sozialökologischen Transformation unzweifelhaft eine zentrale, wenn nicht DIE zentrale Kernaufgabe des 21. Jahrhunderts ist.

Irme Stetter-Karp

"Das hat verheerende ökologische Auswirkungen."

Wenn wir die Klimaschäden weltweit noch irgendwie in den Griff bekommen wollen, müssen wir konsequent die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern voranbringen. Das haben wir gefordert. Leider ist die Entscheidung anders.

Fakt ist nun, dass ein völlig falsches Signal auch für die Anleger gesetzt wird, weil da Investitionen sogar ohne ein zeitliches Limit gefördert werden. Das hat verheerende ökologische Auswirkungen. Das ist eine fatale Entscheidung.

DOMRADIO.DE: Bewahrung der Schöpfung ist für Christen ein wichtiges Thema. Papst Franziskus hat mit seiner Enzyklika "Laudato si" auch ein großes Zeichen gesetzt. Wie geht man jetzt damit um?

Stetter-Karp: Die Entscheidung ist gefallen. Ich kann nicht für alle Christen sofort sagen, wie wir damit umgehen. Meine Überzeugung ist, dass wir dennoch alles für eine Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern tun müssen. Gerade auch die Kirche als diejenige, die auch in der Frage unternehmerischen Handelns große Verantwortung hat, weil sie selber entsprechende Mengen an Gebäuden in Deutschland hat, ist hier gefragt. Insoweit müssen wir weiterhin alles tun.

Wir müssen gleichzeitig natürlich auch an der Frage einer sozialen Taxonomie dran bleiben. Denn die Frage, welche Menschenrechte bei der Produktion von Gütern eingehalten werden, ist ja etwas, das in der EU auch noch nicht geregelt ist. Die Frage der sozialen Verträglichkeit dieser Transformationsprozesse ist eine, die jetzt schon in Deutschland als kritische Marke sichtbar wird. Denken Sie allein an die Frage, wie viele Haushalte mit den steigenden Energiepreisen klarkommen und wie die Regierung hier flankieren muss.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

EU legt Taxonomie fest

Nachdem das Europaparlament am Mittwoch den Weg zur Deklaration von Atomkraft und Gas als nachhaltige Energie frei gemacht hat, haben Umweltschützer und Sozialaktivisten den Entscheid kritisiert. Sie warfen den Parlamentariern unter anderem ein Einknicken vor der Energielobby sowie "Greenwashing" vor.

Atomreaktoren / © Daniel Prudek (shutterstock)
Quelle:
DR