Charles Chaput übernimmt das Erzbistum Philadelphia

Aufräumen nach dem Missbrauch

An sich ist es ein Aufstieg, dass Charles Joseph Chaput den Ruf von Papst Benedikt XVI. an die Spitze des Erzbistums Philadelphia erhalten hat. Sein bisheriger Dienstsitz Denver rangiert nach der Katholikenzahl im Mittelfeld der US-Bistümer; Philadelphia ist mit 1,5 Millionen Mitgliedern das sechstgrößte. Chaput übernimmt aber auch die Hypothek eines Missbrauchsskandals.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Doch Chaput scheint der richtige Mann dafür. Auch in Denver war der 66-Jährige verschiedentlich mit Missbrauchsvorwürfen gegen eigene Kleriker konfrontiert. Er rühmt sich jedoch, dass sein Erzbistum stets umgehend auf Verdachtsfälle reagiert, beschuldigte Geistliche aus der Seelsorge entfernt und staatliche Behörden eingeschaltet habe.



"Die Erzdiözese Denver gestattet keinem Priester die Dienstausübung, wenn ein glaubwürdiger Vorwurf sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen gegen ihn vorliegt", erklärte Chaput 2007. Im vergangenen Jahr rief er nach glaubwürdigen Anschuldigungen gegen einen Geistlichen per Hirtenbrief zu Zeugenaussagen auf. Ebenso stellte er sich vor einen - längst verstorbenen - Priester, als sich Klagen als haltlos herausstellten.



Vorbehalten gegenüber Barack Obama

Mit der gleichen Klarheit machte Chaput im letzten Präsidentschaftswahlkampf aus seinen Vorbehalten gegenüber Barack Obama keinen Hehl. Katholischen Unterstützern Obamas riet er, wenigstens besser Einfluss auf ihren Mann auszuüben. Um dessen liberale Sichtweisen zu ändern, brauche es "eine Menge mehr als Verbalgymnastik, gute Alibis und frommes Gerede über "persönlichen Widerspruch" gegen das Töten ungeborener Kinder", schrieb Chaput. Als Obama dann Präsident wurde, wünschte er ihm "Weisheit und sittlichen Mut", damit er "jedes menschliche Leben ausnahmslos verteidige".



Solche Einlassungen wie auch sein Protest gegen die Forschung an embryonalen Stammzellen festigten Chaputs Ruf, einer der profilierten Lebensschützer unter den US-Bischöfen zu sein.

Gleichwohl verurteilte er den Mord an dem Abtreibungsarzt George Tiller im Mai 2009. Und Lebensschutz und Familie sind auch nicht die einzigen Themen, bei denen er sich aus dem Fenster lehnt: Nach Massenfestnahmen illegaler Arbeitsmigranten an der Südgrenze der USA beklagte er Mängel am Einwanderungsrecht und verlangte eine "unverzügliche und sehr ernsthafte Reform"; wiederholt protestierte er gegen die Todesstrafe.



Nicht die erste Herausforderung

Sinn fürs Konkrete und ungeschminkte Rede kennzeichnen ihn als Mitglied des Kapuzinerordens. Am 26. September 1944 in Concordia in Kansas geboren, kam Chaput schon als Schüler einer katholischen Schule mit franziskanischem Geist in Berührung. 1965 trat er in den Kapuzinerorden ein und studierte unter anderem am Kapuzinerkolleg in Washington und in San Francisco. Es folgten Jahre als Dozent und Pfarrer, dann Aufgaben in der Ordensleitung in Denver bis zum Amt des Provinzials, das er 1983 übernahm. Fünf Jahre später berief ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Rapid City im Bundesstaat Süddakota, 1997 zum Erzbischof von Denver.



Bei seinen Bischofskollegen genießt Chaput Vertrauen; fast hätten sie ihn im November zum Vizevorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt. Und auch in Rom betrachtet man sein bisheriges Wirken offenbar mit Wohlgefallen. Im Juli 2009, als nach einem Skandal um den Gründer der "Legionäre Christi", Marcial Maciel Degollado (1920-2008), eine Untersuchung der Ordensstrukturen anstand, gehörte Chaput zu den fünf vatikanischen Ermittlern.



Auch im Streit um den australischen Bischof von Toowoomba, William Morris, spielte Chaput eine Rolle. Morris hatte angesichts des Priestermangels über eine Lockerung des Zölibats und die Weihe von Frauen nachgedacht. Der Vatikan schickte Chaput, um sich vor Ort zu informieren. Die Sache endete im Mai mit Morris" Rücktritt.



In Philadelphia wartet nun eine neue Herausforderung. Mit dem Bischofsstuhl in Pennsylvania ist traditionell die Kardinalswürde verbunden. Chaput, Abkömmling des Stammes der Potawatomi, wäre dann der erste Indianer, der das rote Birett erhält.