Caritas-Präsidentin fordert Umsetzung der Bürgergeld-Pläne

Minister Heil den Rücken stärken

Der Deutsche Caritasverband begrüßt das von Bundessozialminister Heil geplante Bürgergeld. Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa spricht von einem Paradigmenwechsel und hofft, dass die Pläne auch gegen FDP-Widerstand umgesetzt werden.

Geldbeutel mit Münzen / © Africa Studio (shutterstock)
Geldbeutel mit Münzen / © Africa Studio ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Kritik hat nicht lange auf sich warten lassen. Die Pläne von Hubertus Heil könnten nicht bewertet werden, weil noch gar nicht bekannt ist, wie hoch der Regelsatz sein soll. Sehen Sie das auch so?

Eva Maria Welskop-Deffaa / © Harald Oppitz (KNA)
Eva Maria Welskop-Deffaa / © Harald Oppitz ( KNA )

Eva Welskop-Deffaa (Präsidentin des deutschen Caritas-Verbands): Der Begriff Bürgergeld und der Name des Gesetzes richten natürlich sehr schnell das Augenmerk auf die Höhe der finanziellen Leistungen, die hinter sich diesem Begriff verbergen. Über die Höhe der finanziellen Leistung sagt der Gesetzentwurf noch nichts. Das haben auch wir als Caritasverband kritisch angemerkt.

Es wird sehr, sehr wichtig sein, dass die Regelsätze, die dann im Bürgergeld geregelt werden, den tatsächlichen Lebenshaltungskosten entsprechen. Das fordern wir seit Jahren. Da wollen wir jetzt die Sommerpause auch nutzen, um dem Finanzminister deutlich zu machen: Hier braucht es die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten.

DOMRADIO.DE: Wie hoch sollte ein Regelsatz aufgrund Ihrer Erfahrung in der Caritas-Arbeit denn sein?

Welskop-Deffaa: Für uns als Caritas ist die Berechnungsmethode entscheidend, damit wir hier schnell jeweils auch Anpassungen an die sich entwickelnden Preise vornehmen können. Es sollte kein absoluter Betrag in den Raum gestellt werden, der dann morgen oder übermorgen schon völlig überholt ist, gerade jetzt in der Inflation.

DOMRADIO.DE: Es gibt natürlich auch Mahner, die sagen, der Regelsatz dürfe nicht so hoch werden, dass er an den Mindestlohn-Satz kommt, denn Arbeit müsse sich lohnen. Sehen Sie da eine Gefahr?

Welskop-Deffaa: Ich finde es sehr, sehr wichtig, dass wir die Debatte nicht nur fokussiert auf die Höhe des Regelsatzes führen, auch wenn uns das als Caritasverband dramatisch wichtig ist. Man darf nämlich nicht vergessen, dass auch die anderen Bausteine des Gesetzes-Paketes einen Paradigmenwechsel darstellen. Dafür wollen wir Herrn Heil dann doch schon heute loben und ihm den Rücken stärken, damit das auch durchs parlamentarische Verfahren gut hindurchgeht.

Eva Welskop-Deffaa ​​​​​​, Caritas-Präsidentin

"Niemand möchte, dass Menschen dauerhaft auf diesen Regelsatz angewiesen sind."

Der Paradigmenwechsel, der jetzt vollzogen wird, richtet das Augenmerk sehr stark auf die Befähigung. Niemand möchte, dass Menschen dauerhaft auf diesen Regelsatz angewiesen sind. Insofern kommt es auch nicht auf eine dauerhafte Nähe zum Mindestlohn an, sondern es geht darum, Menschen in einer Übergangsphase die Existenz zu sichern, damit sie in dieser Phase auch Kraft haben, sich noch mal neu auf den Weg zu machen.

Wir loben deswegen ganz ausdrücklich, dass zum Beispiel die Weiterbildungsprämie, die vor einiger Zeit eingeführt wurde, jetzt entfristet wird und dauerhaft dann gezahlt werden soll, wenn sich Menschen im Transferbezug darauf einlassen, sich umschulen zu lassen, sich noch mal fortzubilden. Das ist so wichtig: der Mut, es noch einmal neu zu probieren.

DOMRADIO.DE: Ein paar Punkte sind schon ein bisschen konkreter im Gesetzesentwurf von Hubertus Heil. Wer zum Beispiel nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in das Bürgergeld rutscht, muss nicht gleich an seine Ersparnisse gehen. Außerdem werden in den ersten beiden Jahren auch die Kosten für eine Wohnung anerkannt, die eigentlich zu groß ist. Man muss also nicht gleich umziehen und es soll weniger bürokratisch zugehen. Klingt doch erstmal nach weniger Stress für die Betroffenen, oder?

 Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister / © Ralf Hirschberger (dpa)
Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister / © Ralf Hirschberger ( dpa )

Welskop-Deffaa: Absolut. Das sind ganz wichtige Veränderungen, die gerade für diese Anfangsphase den ermutigenden Charakter haben, von dem ich gerade sprach. Das verbindet sich auch mit der Vertrauenszeit, die in den ersten sechs Monaten gewährt werden soll, wo eben keine Sanktionen verhängt werden.

Dankenswerterweise enthält der Gesetzentwurf auch die Regelung, dass die verschärften Sanktionen für Jugendliche abgeschafft werden. Alles Punkte, die wir seit Jahren fordern und wo es so wichtig wäre, dass das im Gesetzgebungsverfahren auch wirklich kommt.

Antrag auf Hartz IV (KNA)
Antrag auf Hartz IV / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Bislang ist das Bürgergeld ein Gesetzesentwurf. Wo müsste Ihrer Meinung nach am dringendsten nachgebessert werden und gefeilt werden?

Welskop-Deffaa: Ich würde sagen, das Wichtigste ist tatsächlich, dass die finanziellen Mittel für die Regelsätze zur Verfügung gestellt werden, aber auch für den sozialen Arbeitsmarkt, der ja ebenfalls entfristet wird. Das geht alles nur, wenn die nötigen Haushaltsmittel vorhanden sind.

Ich hoffe aber auch, dass die Abschaffung der Zwangsverrentung, die im Gesetzentwurf enthalten ist, Wirklichkeit wird. Sie würden älteren Menschen signalisieren, dass sie auch mit 62 oder 63 Jahren noch gebraucht werden. Die Abschaffung würde verhindern, dass die Menschen dann in Altersarmut rutschen.

Daher hoffen wir, dass diese Regelung das parlamentarische Verfahren durchlebt, trotz kritischer Stimmen von der FDP. Insgesamt können wir noch nicht sicher sein, dass alles, was jetzt im Entwurf steht, auch wirklich überlebt.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Bürgergeld

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Details für das geplante Bürgergeld präsentiert, das im kommenden Jahr das derzeitige Hartz-IV-System ablösen soll. Wie aus einem am Mittwoch präsentierten Papier hervorgeht, sollen Menschen, die etwa wegen eines Jobverlusts auf Sozialleistungen angewiesen sind, künftig mehr Vermögen behalten können. Eine Vertrauenszeit zwischen Jobcenter und Bedürftigen ohne Sanktionsmöglichkeit soll zu mehr Augenhöhe im Umgang mit Betroffenen führen. Heil hatte zudem eine Erhöhung des Regelsatzes in Aussicht gestellt, nennt aber noch keine Höhe.

Symbolbild Geld/Belohnung / © Fabrizio Annovi (shutterstock)
Symbolbild Geld/Belohnung / © Fabrizio Annovi ( shutterstock )
Quelle:
DR