Caritas-Präsident Neher verhalten optimistisch bei Pflege-Mindestlohn

"Wir brauchen da noch wesentlich mehr"

Ab heute tritt der Mindestlohn für Pflegehilfskräfte in Kraft. Mit dem Erreichten galt es viele zufriedenzustellen: kirchliche und private Anbieter von Pflegediensten, Gewerkschafter und Politiker. Caritas-Präsident Peter Neher zeigt sich verhalten optimistisch über die Ergebnisse.

 (DR)

KNA: Herr Prälat Neher, ist der nun in Kraft tretende Mindestlohn für Pflegekräfte ein Minimalkonsens?
Neher: Ich denke, dass der Mindestlohn eine wichtige unterste Grenze einzieht, um Dumpinglöhne und ein weiteres Absacken des Lohnniveaus im Pflegebereich aufzuhalten. Das Prozedere zur Findung des Mindestlohns über eine staatlich eingerichtete Kommission war in Ordnung. Alle wichtigen Akteure waren an einem Tisch: Caritas und Diakonie, privat-gewerbliche Anbieter, Gewerkschaften und Politik. Ich denke, alles in allem wurde ein fairer Kompromiss gefunden.

KNA: Heißt, Sie sind zufrieden?
Neher: Wichtig ist, dass der Mindestlohn auf gar keinen Fall zum Normlohn werden darf. Daher rührte ja auch die anfängliche Skepsis der Caritas gegenüber einem solchen Mindestlohn. Insofern ist die Stimmung etwas ambivalent. Wir müssen jetzt alles daran setzen - und die Bundesregierung hat das ja auch zugesagt und wurde vom Bundesrat darin unterstützt, dass die Refinanzierung der Lohnkosten sich an Tariflöhnen orientiert. Wenn die Caritas also schon ihre Pflegehilfskräfte deutlich über dem Mindestlohn bezahlt, dürfen die Pflegekassen nicht sagen: Das ist über dem Mindestlohn und deshalb werden wir es nicht bezahlen.

KNA: In der Diskussion war zeitweilig der Eindruck entstanden, die Caritas sperre sich gegen Mindestlöhne, da sie selbst Dumpinglöhne zahle.
Neher: Dieses schiefe Bild ist durch eine missverständliche Pressemeldung entstanden. Ich fand diese verquere Debatte sehr ärgerlich. Denn Fakt ist, dass unsere Löhne für pflegerisches Hilfspersonal im Westen bei circa 10 Euro und im Osten bei 9,35 Euro liegen, plus Zulagen. Der jetzt vereinbarte Mindestlohn mit zunächst 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten liegt deutlich darunter. Selbst nach der stufenweisen Anhebung um insgesamt 50 Cent in den kommenden Jahren.

KNA: Der Einigung auf den Mindestlohn ist ein monatelanges Gezerre vorausgegangen, zuletzt sogar auf Ministerebene. Woran lag das?
Neher: Innerhalb der Bundesregierung war das Thema schlicht und einfach ein Politikum, weil die FDP mit Wirtschaftsminister Brüderle von Anfang an grundsätzlich gegen Mindestlöhne war. In dieser Spannung stand dann die Kommission: einerseits einen fairen Kompromiss zu finden, der sowohl Caritas und Diakonie berücksichtigt, die einen relativ hohen Lohn zahlen, gleichzeitig aber die Privat-gewerblichen, die deutlich weniger zahlen, mit ins Boot zu holen. Denn die FDP hatte schon früh signalisiert, sie akzeptiere einen Mindestlohn überhaupt nur dann, wenn die Kommission zu einem einstimmigen Ergebnis komme. Von daher lag da natürlich politischer Druck drauf.

KNA: In der Pflege nimmt der Personalmangel rapide zu. Macht der Mindestlohn den Job attraktiver?
Neher: Der Mindestlohn ist wichtig, aber wir brauchen da noch wesentlich mehr. Zentral ist eine Neuordnung der Pflegeausbildung, was die Bundesregierung ja auch anstrebt. Es ist dringend notwendig, dass wir die verschiedenen Ausbildungen in der Altenhilfe, der Gesundheitshilfe und der (Kinder-) Krankenpflege miteinander verknüpfen. Schon jetzt sind die Inhalte der Ausbildung zum Teil bis zu 80 Prozent identisch. Durch eine gemeinsame Pflegeausbildung verbessern wir die Durchlässigkeit im System und erleichtern berufliche Wechsel innerhalb der Pflegebereiche. Und ebenso wichtig: Die Entlohnung in der Pflege, dem Dienst am Menschen, muss so sein, dass jemand, der Vollzeit arbeitet, auf jeden Fall seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Nur mit dem ganzen Paket kann tatsächlich der Pflegeberuf attraktiver gestaltet werden.

Das Gespräch führte Karin Wollschläger.