Caritas International mahnt Schicksal der Rohingya an

7.000 Obdachlose nach Lager-Brand

In einem Flüchtlingscamp der Rohingya, einer muslimischen Minderheit aus Myanmar, kam es erneut zu Bränden. Angela Gärtner, Referentin von Caritas International für Bangladesch, warnt eindringlich davor, die Rohingya zu vergessen.

Feuer brennt in einem Rohingya-Flüchtlingslager in Kutupalong / © Shafiqur Rahman/AP  (dpa)
Feuer brennt in einem Rohingya-Flüchtlingslager in Kutupalong / © Shafiqur Rahman/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ein Brand in einem riesigen Flüchtlingslager. 7000 Menschen werden obdachlos. Welche Möglichkeiten gibt es denn, den Menschen zu helfen?

Angela Gärtner (Referentin von Caritas International für Bangladesch): Zunächst mal muss man wissen, in dem Lager, das in verschiedene Abschnitte eingeteilt ist, leben knapp eine Million Menschen, zumindest weit über 700.000. Das ist jetzt ein Brand geraten, und zwar nicht das erste Mal. Die Leute leben in Bambusunterkünften und deswegen ist das auch so schwierig bei Feuer, weil dann ganz schnell die Nachbarunterkünfte auch Feuer fangen und sich der Brand schnell ausbreitet. 

Direkt nachdem das Feuer gelöscht ist, wird Soforthilfe geleistet, damit die Leute relativ schnell wieder ein Dach über dem Kopf haben. Zumal wir im Moment auch Winter in Bangladesch haben. Zwar nicht so kalt wie bei uns, aber doch weit unter 20 Grad, das heißt zum Draußenschlafen doch sehr kühl.

Angela Gärtner

"Die Sicherheitslage in dem Lager hat sich dramatisch verschlechtert."

DOMRADIO.DE: Sechs Jahre nach der Vertreibung der Rohingya aus Myanmar fehlen den Menschen immer noch jegliche Perspektiven. Hilfsgelder reichen nicht mehr aus. Kinder hungern. Die Anzahl der Rohingya-Bootsflüchtlinge nimmt zu. In welchem körperlichen und vor allen Dingen auch psychischen Zustand befinden sich diese Menschen?

Gärtner: Sie haben die Rahmenbedingungen schon angesprochen. Die Leute leben jetzt mittlerweile seit 2017 in diesem Lager. Sie dürfen das Lager nicht verlassen, sie dürfen keiner Arbeit nachkommen. Das heißt, sie haben keine Möglichkeit, Geld zu verdienen, um ihre Grundbedürfnisse selbst zu sichern. 

Sie sind vollkommen auf externe Unterstützung zum Überleben angewiesen und die Sicherheitslage in dem Lager hat sich tatsächlich dramatisch verschlechtert. Es gibt sehr viel Bandenkriminalität und vor allen Dingen, was uns sehr große Sorge macht, sexuelle Übergriffe gegen Mädchen und Frauen. Das Schwierige ist, dass die Menschen keine Perspektive haben. 

Rohingya-Flüchtlinge beobachten ein Feuer in ihrem Flüchtlingslager in Kutupalong / © Shafiqur Rahman/AP  (dpa)
Rohingya-Flüchtlinge beobachten ein Feuer in ihrem Flüchtlingslager in Kutupalong / © Shafiqur Rahman/AP ( dpa )

Der politische Versuch, dass die Leute zurück können in ihre Heimat, ist ins Stocken geraten. Es gibt keine Aussicht auf eine wirkliche Integration in Bangladesch. Und die verzweifelten Versuche, per Boot nach Sri Lanka oder Indonesien zu kommen, verlaufen häufig tödlich. Selbst wenn sie ankommen, erleben sie da auch keine Willkommenskultur, sondern müssen auch da häufig wieder weiterziehen.

DOMRADIO.DE: Warum ist die Möglichkeit einer Rückkehr in ihr Land immer noch in weiter Ferne?

Gärtner: Die Rahmenbedingungen für eine sichere Rückkehr sind einfach nicht gegeben von der Regierung von Myanmar. Die Leute im Camp würden am liebsten in ihre Heimatdörfer zurückzukehren. Das erlaubt die Regierung von Myanmar nicht. 

Sie weist ihnen andere Gebiete zu, die häufig auch Lager sind. Das heißt, die Option, dass die Leute wirklich wieder alle Bürgerrechte erhalten und ein normales Einkommen sich erwirtschaften können in Myanmar, ist einfach nicht gegeben.

Angela Gärtner

"Wir haben die Befürchtung, dass sie vollkommen in Vergessenheit geraten."

DOMRADIO.DE: Aus welchen Gründen sinkt die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, für die Versorgung der Rohingya aufzukommen?

Gärtner: Die Rohingya-Krise ist leider nur eine von sehr zahlreichen auf der ganzen Welt. Und wir hier in Europa merken, dass wir in der Ukraine schon einen sehr langen Krieg haben. Wir haben jetzt noch die Krise im Nahost dazubekommen, das heißt, der Bedarf an internationaler Unterstützung ist gestiegen und somit sind auch die Mittel zurückgegangen, die für die Rohingya zur Verfügung stehen. Wir haben die Befürchtung, dass sie aufgrund der anderen Krisen vollkommen in Vergessenheit geraten.

DOMRADIO.DE: Warum trifft es besonders die Kinder?

Gärtner: Wir haben gemerkt, dass dieses Jahr die Nahrungsmittelverteilungen und die Gelder, die dafür zur Verfügung standen sehr stark reduziert wurden. Wir haben damit verbunden sofort einen Anstieg der Mangel- und Unterernährung besonders bei Kindern und Kleinkindern gesehen. 

Die Kinder leben in dem Camp, es gibt keine Schulen, aber es gibt informelle Bildungszentren, die von NGOs geführt werden. Aber da gehen die Mittel zurück. Es gibt also keinen strukturierten Alltag für die Kinder, keine normale Bildung und deutlich zu wenig zu essen, gepaart mit einer steigenden Kriminalität.

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Rohingya

Als "Rohingya" bezeichnen sich die rund eine Million Muslime in Myanmars Teilstaat Rakhine (ehemals Arakan). Etwa eine weitere Million Rohingya leben als Flüchtlinge in Nachbarländern. Sie verstehen sich selbst als eigenständige ethnisch-religiöse Gruppe und gelten als eine der am stärksten verfolgten Minderheiten der Erde.

Staatliche Stellen in Myanmar vermeiden die Bezeichnung Rohingya und sprechen stattdessen von "Bengalis", die illegal aus dem benachbarten Bangladesch eingewandert seien.

Rohingya-Flüchtlingskind im Lager in Bangladesch / © Kay Nietfeld (dpa)
Rohingya-Flüchtlingskind im Lager in Bangladesch / © Kay Nietfeld ( dpa )
Quelle:
DR