Caritas im domradio zum Steinbrück-Rat "Rente statt Urlaub"

Ein Minister macht sich unbeliebt

Wie erwartet, hat es Peer Steinbrück geschafft: Politiker, Wirtschaft und Medien diskutieren über seinen Urlaubsratschlag. Der Finanzminister hatte den Deutschen geraten, ihr Geld künftig besser in die Alters- als ihre Ferienplanung zu investieren. Die Opposition gibt sich empört, Zustimmung aus Regierungsreihen.

 (DR)

Wie erwartet, hat es Peer Steinbrück geschafft: Politiker, Wirtschaft und Medien diskutieren über seinen Urlaubsratschlag. Der Finanzminister hatte den Deutschen geraten, ihr Geld künftig besser in die Alters- als ihre Ferienplanung zu investieren. Die Opposition gibt sich empört, Zustimmung aus Regierungsreihen. Ist Steinbrücks Idee ein verspäteter Sommerloch-Aufreger - oder steckt mehr dahinter? "Am Urlaub sparen ist gut und schön, nur haben viele Deutsche weder Geld für Urlaub noch für eine Privatrente", sagt der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Georg Cremer, im domradio-Interview.

Eingeschränktes Verständnis für Steinbrück
Im domradio-Interview zeigt Prof. Georg Cremer, der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Verständnis für die Steinbrück-Idee. Jeder müsse Geld für die Altersvorsorge zurücklegen, so Cremer. "Und da ist es egal, welche Form von Konsum davon betroffen ist. Das kann dann auch der Urlaub sein." Offenbar sei bei vielen Deutschen noch immer ein "mentales Leck" vorhanden, zu wenige investierten in die Riesterrente.

Das wahre Problem in unserer Gesellschaft ortet Cremer an anderer Stelle: "Viele Deutsche besitzen weder für Urlaub noch für eine private Altersvorsorge das nötige Geld."

Hören Sie hier das gesamte domradio-Interview mit Prof. Georg Cremer, dem Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes.

Scharfe Kritik von Tourismus-Experten
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat mit seinem Rat, die Deutschen sollten künftig beim Urlaub sparen und mehr für die Altersvorsorge tun, für Unmut gesorgt. Der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, sagte der "Neuen Rhein- Zeitung": "Wenn Herr Steinbrück die gut verdienenden Unternehmen gerechter besteuern würde, könnte er sich solche Ideen sparen. Das Problem in Deutschland ist nicht der Urlaub, den Millionen ohnehin nicht antreten können, sondern Politiker, die den Menschen ihren Urlaub nicht gönnen."

FDP-Chef Guido Westerwelle sprach in der Zeitung von "blankem Zynismus" - "erst recht von jemandem, der sich selbst Sozialdemokrat nennt". FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle gab Steinbrück den Rat, auf die geplante Mehrwertsteuererhöhung verzichten. Dann laufe die Wirtschaft besser, und die Menschen hätten auch Geld für die private Vorsorge, sagte Brüderle der "Kölnischen/Bonner Rundschau". Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Heinrich Kolb, sagte: "Die Bürger verzichten lieber auf Steinbrücks Politik als auf Urlaub." Die Äußerungen Steinbrücks seien ein Beleg dafür, wie weit sich die große Koalition von den Realitäten und den Menschen in diesem Land entfernt habe.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Tourismus, Ernst Hinsken, sagte: "Urlaub heißt entspannen, sich erholen und regenerieren, um anschließend wieder schlagkräftig und motiviert ans Werk zu gehen. Die schönsten Wochen des Jahres sollte man jedem Bürger gönnen und nicht vermiesen." Zweifellos habe die soziale Sicherung Vorrang und Reformen seien notwendig, "aber alles mit Maß und Ziel". Im übrigen gehöre der Tourismus mit über sieben Prozent Anteil an der Bruttowertschöpfung zu den größten Wirtschaftsbereichen Deutschlands.

CSU und Wirtschaft stehen hinter Steinbrück
Aus der CSU und der Wirtschaft kamen dagegen weitergehende Forderungen. Der CSU-Wirtschaftsexperte Hans Michelbach sprach sich in der "Bild"-Zeitung dafür aus, Urlaubstage zu streichen statt auf Urlaubsreisen zu verzichten. Das würde die Wirtschaft von Kosten entlasten und Arbeitsplätze sicherer machen. Ein sicherer Arbeitsplatz sei "die beste soziale Vorsorge", fügte der CSU- Politiker im Hinblick auf Steinbrücks Argument hinzu, die Deutschen sollten durch gelegentlichen Verzicht auf Reisen mehr für Alter und Krankheit vorsorgen.

Auch der Chef des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner, regte in der "Bild"-Zeitung eine Kürzung des tariflichen Urlaubsanspruchs an: "Tatsache ist, dass die Deutschen im Vergleich zu anderen einen sehr hohen Urlaubsanspruch haben. Ein Verzicht auf einige Urlaubstage wäre ein gutes Signal für das anziehende Wachstum."