Caritas fordert sozialverträgliche Energiepolitik

Was kommt nach der Gaspreisbremse?

Die Gaspreisbremse ist ein gutes Mittel, um Menschen mit geringen Einkommen zu entlasten, so die Berliner Caritasdirektorin Ulrike Kostka. Sie fordert von der Bundesregierung zukünftig eine weitsichtige und nachhaltige Energiepolitik.

 ©  Marijan Murat (dpa)
© Marijan Murat ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Strom- und Gaspreisbremse tritt an diesem 1. März in Kraft. 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs bekommen wir subventioniert, 20 Prozent werden zu den normalen Marktpreisen abgerechnet. Wie blicken Sie auf die Preisentwicklung im Energiebereich, Frau Kostka?

Ulrike Kostka / © Maurice Weiss (Caritasverband für das Erzbistum Berlin)

Ulrike Kostka (Direktorin der Caritas im Erzbistum Berlin): Die Preise sind sehr gestiegen. Aber sie fallen gerade. Und das ist auch die Herausforderung für die Gaspreisbremse, dass jetzt teilweise die Preise, die die Versorger eigentlich umsetzen könnten, niedriger sind als die der Gaspreisbremse.

DOMRADIO.DE: Was beobachten Sie jetzt in Berlin? Inwiefern leiden die Menschen unter den hohen Energiekosten? Oder kommt der Hammer dann erst mit der Jahresabrechnung?

Kostka: Genauso wird es sein, für viele kommt es eigentlich erst mit der Nebenkostenabrechnung. Das kann ja sich dann auch über das ganze Jahr hinziehen. Aber wir merken auch, die Energiepreise sind das eine, was die Leute belastet. Aber mindestens genauso, wenn nicht noch stärker, sind die Auswirkungen der Inflation, dass die Preise insgesamt sehr stark steigen. Und das wirkt sich dann zusammen aus.

Ulrike Kostka (Direktorin der Caritas im Erzbistum Berlin)

"Die Gaspreisbremse war ein wichtiges Mittel um Sorgen zu nehmen."

DOMRADIO.DE: Welche Bevölkerungsgruppen treffen auch die hohen Energiekosten jetzt besonders?

Kostka: Das sind besonders Menschen, die vielleicht zu knapp über dem Bürgergeld liegen, also einfach mit geringeren Einkommen, mit mittleren oder unteren Einkommen. Das ist eine hohe Belastung, eine Familie kann daraus schon stark herausgefordert sein. Und ich glaube, die Gaspreisbremse war da schon ein wichtiges Mittel um einfach auch Sorgen zu nehmen.

DOMRADIO.DE: Durch die Energiepreisdeckel sind 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs abgedeckt. Bevorteilt werden damit die Verbraucher, die im Vorjahr sehr viel Energie verbraucht haben. Sehen Sie da eine Ungerechtigkeit?

Kostka: Das ist eine Ungerechtigkeit, das war aber auch von Anfang an klar. Das wurde auch von der Regierung so kommuniziert, dass man das jetzt nicht anders machen kann, weil schnell ein Instrument entwickelt werden musste. Natürlich ist es so, dass alle auch nach wie vor aufgefordert sind, Energie zu sparen. Und das betrifft natürlich auch insbesondere die Menschen, die sehr viel Energie verbrauchen. Denn die Menschen mit geringen Einkommen haben oft vorher schon gespart, weil die Preise vorher auch schon eine Belastung waren.

Heizung (Symbolbild) / © Hauke-Christian Dittrich (dpa)
Heizung (Symbolbild) / © Hauke-Christian Dittrich ( dpa )

DOMRADIO.DE: Diese 80-Prozent-Regel kann man auch als Ansporn verstehen, jetzt 20 Prozent Energie zu sparen. Sie haben in früheren Gesprächen mit uns gesagt, es müssen gute Anreize geschaffen werden. Ist das ein sinnvoller Anreiz, Strom und Gas einzusparen, Ihrer Meinung nach?

Kostka: Es ist ein Anreiz und man merkt es ja auch, insgesamt sind ja die Verbräuche deutlich runtergegangen. Viele Haushalte haben das fast zu einem Sport gemacht zu gucken, wo man Energie sparen kann. Und ich merke das auch am eigenen Verbrauch. Ich glaube, wir haben alle als gesamte Gesellschaft viel über Energiesparen gelernt. Aber das muss natürlich auch weitergehen, denn die Belastung durch die Energiepreise wird auch noch in den nächsten Monaten und Jahren bleiben. Und dementsprechend ist auch die Frage, was kommt nach der Gaspreisbremse?

Ulrike Kostka (Caritasdirektorin für das Erzbistum Berlin)

"Jetzt muss die Bundesregierung nach vorne gucken und Mittel für die nächsten Jahre entwerfen, denn viele Menschen machen sich Sorgen."

DOMRADIO.DE: Die Energiepreisbremsen werden durch neue Schulden finanziert. Top-Ökonomen haben sich dagegen höhere Steuern für Besserverdienende gewünscht. Teilen Sie diesen Wunsch?

Kostka: Auf Dauer wird sich der Staat solche Maßnahmen nicht leisten können. Und deswegen wird man schauen müssen, wie die Preise sich in Zukunft entwickeln und wie auch Entlastungen wirklich für die Bevölkerung, vor allem für Menschen mit geringeren Einkommen, auch gestaltet werden können. Und neue Schulden sind nicht das probate Mittel. Das können steuerliche Maßnahmen sein und auch andere. Wichtig ist natürlich insgesamt, dass wir unseren Energieverbrauch senken. Und dazu braucht es eben ganz, ganz viele Investitionen.

Auch die privaten Haushalte müssen wirklich in die Lage versetzt sein, dass sie sich dafür ausrüsten können, zum Beispiel Eigentümer. Wichtig ist auch, dass es sich nicht alles auf die Mietkosten umwälzt. Das sind große Fragen, vor denen wir stehen. Ich mache mir natürlich Gedanken über das Jahr 2024. Es kann sein, dass dann die Energiepreise auch wieder ansteigen. Und das ist eine große Belastung, zusammen mit der Inflation ist das für viele Haushalte nicht mehr tragbar. Jetzt muss die Bundesregierung nach vorne gucken und Mittel für die nächsten Jahre entwerfen, denn viele Menschen machen sich da Sorgen. Und da sind wir natürlich auch als Caritas politisch dabei, wirklich in die Zukunft zu gucken und zu schauen, wie können die Energiepreise auf einem tragbaren Niveau gehalten werden.

Das Interview führte Michelle Olion

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 690.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Sitz des 1897 gegründeten Verbands ist Freiburg. Wichtige Bedeutung haben die Büros in Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
DR