Caritas begrüßt Einigung auf Haushaltsplan für 2024

"Stein vom Herzen gefallen"

Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich die Spitzen der Ampelkoalition über den Haushalt für 2024 geeinigt. Bei den sozialen Standards soll es laut Finanzminister Christian Lindner keine Reduzierung geben. Die Caritas begrüßt das.

Bundestag in Berlin / © DK-ART (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Das Versprechen von Finanzminister Christian Lindner dürfte Sie doch etwas beruhigt haben. Er hat versprochen, keine Reduzierung bei sozialen Standards vorzunehmen. 

Eva Maria Welskop-Deffaa

"Unsere Einrichtungen haben große Probleme, wenn sich der Haushalt so verzögert."

Eva Maria Welskop-Deffaa / © Harald Oppitz (KNA)
Eva Maria Welskop-Deffaa / © Harald Oppitz ( KNA )

Eva Maria Welskop-Deffaa (Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes): Uns ist tatsächlich ein Stein vom Herzen gefallen, als wir von der Einigung im Kanzleramt gehört haben. Erst mal war die Einigung dringend überfällig. Unsere Einrichtungen haben große Probleme, wenn sich der Haushalt so verzögert. Die Menschen im Land waren verunsichert. Insofern gab es große Freude. 

Auch im zweiten Schritt sind wir erleichtert, dass jetzt kein Aussetzen der Schuldenbremse riskiert wurde, wovon man hätte ausgehen müssen. Das hätte am Ende doch so schnell nicht rechtssicher gelingen können. 

Die dritte Erleichterung ist, dass nicht nur Herr Lindner angekündigt hat, dass es keine Kürzungen bei den Sozialstandards geben wird.

Wenn sich man die Einzelmaßnahmen anschaut, die die Bundesregierung vorlegt, dann spürt man doch, dass man der Versuchung widerstanden hat, beim Sozialen die Axt anzulegen. Im Grunde genommen ist die einzige größere angekündigte Einsparung im Sozialen, die Zurücknahme des Bonus bei den nicht-abschlussbezogenen Weiterbildungsmaßnahmen im Bürgergeld. Das Bürgergeld selbst kommt so, wie angekündigt, mit der nötigen Erhöhung. Von daher ist das alles in allem für uns ein Weihnachtsgeschenk. 

DOMRADIO.DE: Obwohl wenig Konkretes gesagt wurde, steht eine Summe von 1,5 Milliarden Euro im Raum, die bei den Sozialausgaben eingespart werden soll. Arbeitsminister Hubertus Heil soll diese Summe in seinem Etat einsparen. Durch mehr Treffsicherheit in den Sozialleistungen soll diese Summe eingespart werden. Was kann denn damit gemeint sein? 

Plenarsitzung Berliner Abgeordnetenhaus / © Sebastian Christoph Gollnow (dpa)
Plenarsitzung Berliner Abgeordnetenhaus / © Sebastian Christoph Gollnow ( dpa )

Welskop-Deffaa: Tatsächlich ist die Summe, die beim Arbeitsminister gekürzt wird, dieser Weiterbildungsbonus. Der ist ja ganz konkret benannt. Gleichzeitig ist ebenso konkret benannt, dass bei der Rente und bei den Bürgergeld-Erhöhungen nicht gespart wird. 

Deswegen brauchen wir keine Sorge zu haben, dass da noch irgendwelche faulen Eier unter der Decke liegen. 

DOMRADIO.DE: Dann ist die Rede davon, dass Flüchtlinge aus der Ukraine schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Das hört sich auch zunächst vielversprechend an, oder? 

Welskop-Deffaa: Das ist vom Grunde her unbedingt wünschenswert. Der Arbeitsminister hatte schon diesen "Jobturbo" für die ukrainischen Geflüchteten mit den Haushaltsberatungen vor wenigen Wochen angekündigt. 

Wir spüren, dass die Dichte der Betreuung durch die Jobcenter in den letzten Monaten offenbar nicht ganz dem entsprach, was nötig gewesen wäre. Wir finden es sehr richtig, dass da jetzt nachgefasst wird. 

DOMRADIO.DE: Dann hieß es auch noch, dass der Steuerzuschuss für die Rentenversicherung sinken soll. Was sagen Sie dazu? 

Welskop-Deffaa: Das habe ich in dem Papier so nicht gefunden. Es wurde angekündigt, dass die Rentenreform im nächsten Frühjahr genau so kommen soll wie geplant. Das halten wir auch für notwendig, damit die Rente angesichts des demografischen Wandels zukunftssicher gemacht wird. 

Da muss man aber abwarten, was genau im Gesetzgebungsverfahren drinsteckt. Wir als Caritasverband haben uns wiederholt dafür eingesetzt, dass auch für die Solo-Selbständigen und kleinen Selbstständigen endlich eine gute Lösung in der gesetzlichen Rentenversicherung gefunden wird, weil das die großen Armutsrisiken sind, die in den nächsten Jahren in der Rente auf uns zukommen. 

DOMRADIO.DE: Wie wichtig wäre es, dass die Haushaltssperre für soziale Dienste sofort aufgehoben wird?

Welskop-Deffaa: Es ist ja angekündigt, dass die Haushaltssperre im Haushaltsverfahren so schnell wie möglich zurückgenommen werden soll. Wir haben aus dem Familienministerium auch schon Signale erhalten, dass der vorzeitige Maßnahmebeginn für Projekte, die für das nächste Jahr bewilligt sind, auch kommen soll. 

Da werden sich bis Weihnachten die Verfahrensgeschichten alle gut sortieren. Das sind jedenfalls die Signale, die wir bei unseren Gesprächen seit gestern aus den zuständigen Ministerien heraushören. 

Eva Maria Welskop-Deffaa

"Natürlich bleibt die politische Lage insgesamt angespannt."

DOMRADIO.DE: Kann es dann mit guten Gefühlen ins neue Jahr gehen? 

Welskop-Deffaa: Natürlich bleibt die politische Lage insgesamt angespannt. Es ist durch diese Entscheidung ja nicht plötzlich alles einfach. Das gilt insbesondere für das Thema Klima-Sozialpolitik. 

Wir haben uns als Caritasverband ein ganzes Jahr lang dafür eingesetzt, dass die Ärmsten bei der Klimapolitik in den Blick geraten und dass wir uns bewusst sind, dass sie die Hauptlast der Klimakrise tragen. Da bleiben die Beschlüsse doch deutlich hinter unseren Erwartungen zurück. 

Es ist gut, dass die CO2-Bepreisung angezogen wird, aber der soziale Ausgleich für diese Maßnahme fehlt erkennbar. Auch die Steuersubventionen, die klimaschädlich sind und von denen die Bundesregierung jetzt sagt, die sollen weg, sind nun eher Lappalien. 

Das ist nicht das Dienstwagen-Privileg, sondern nur der Agrar-Diesel für die Landwirtschaft. Es ist nur das Kerosin für Inlandsflüge. Da hätte man sich schon eine etwas energischere Politik in diesen Tagen gewünscht. 

Die großen Aufgaben bleiben also. Eine soziale Transformationspolitik bleibt das Gebot der Stunde. Angesichts der erkennbaren Überraschung der Bundesregierung durch das Bundesverfassungsgerichts-Urteil – das ist ja der eigentliche Skandal der letzten Wochen gewesen – ist es gut, dass sie den Schreck der Überraschung endlich überwunden haben und jetzt zu einer geordneten Politik zurückkommen. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 690.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Sitz des 1897 gegründeten Verbands ist Freiburg. Wichtige Bedeutung haben die Büros in Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
DR