Care-Pressesprecher Schwarz zur Situation in Pakistan

"Ein humanitäres Desaster"

Die Kämpfe zwischen Regierung und Taliban in Pakistan haben bislang fast zweieinhalb Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Von einem humanitärem Desaster und einer menschlichen Tragödie spricht der Pressesprecher der Hilfsorganisation Care, Thomas Schwarz. Während seines Aufenthaltes in Pakistan, auch nahe der umkämpften Gebiete, sprach er am Mittwoch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) über die Lage der Flüchtlinge und die Ansprüche an die internationale Gemeinschaft.

 (DR)

KNA: Herr Schwarz, Sie sind seit einigen Tagen in Pakistan und auch in unmittelbare Nähe der umkämpften Gebiete gefahren. Welchen Eindruck bringen Sie mit?
Schwarz: Wir sind bis auf 50 Kilometer an die Konfliktzonen herangefahren. Viel näher ist nicht möglich, um seine eigene Sicherheit nicht zu gefährden. Dabei habe ich einige wirklich schockierende Dinge gesehen, zum Beispiel rund 100 Familien, die zwischen einem Kanal, einer Straße und einer Bahnlinie auf nacktem Boden leben - ohne Zelte oder einem anderem Dach über dem Kopf. Die Kinder trinken teilweise das verschmutzte Kanalwasser. In ein Flüchtlingslager können diese Menschen nicht, weil sie ihr Vieh nicht aufgeben können, das sie mit sich führen.

KNA: Ohnehin ist nur eine Minderheit der Menschen in Flüchtlingslagern untergekommen. Ist die Situation dort besser?
Schwarz: Sie ist anders. Aber auch hier fehlt es trotz aller Bemühungen der Regierung, der Vereinten Nationen und von Hilfsorganisationen an grundlegenden Dingen. Ich war etwa in einem Flüchtlingslager, in dem Menschen zu fünft in einem Zelt von zwölf Quadratmetern leben, ohne Matten auf dem Boden. Latrinen gibt es auch zu wenige. Das Camp ist für etwa 7.000 Menschen ausgelegt; mehr als 10.000 leben schon dort. Und jeden Tag kommen mehr, für die es keinen Platz mehr gibt. Die Situation der Flüchtlinge im Land ist derzeit einfach nicht hinnehmbar. International vereinbarte Standards werden bis jetzt definitiv nicht erreicht.

KNA: Was muss passieren, damit sich das ändert?
Schwarz: Der Wille, Anstrengungen und Bemühungen sind von allen Seiten vorhanden. Auch gibt es eine große Solidarität zwischen den Pakistanern. Aber die Hilfe, die zur Verfügung gestellt wird, reicht einfach hinten und vorne nicht, um ein menschenwürdiges Leben zu gewährleisten. Was hier passiert, ist wirklich ein humanitäres Desaster, eine menschliche Tragödie. Trotz aller Arbeit, die schon geleistet wird - es muss einfach mehr und schneller kommen: Geld, Personal, Materialien. Da ist vor allem die internationale Gemeinschaft gefordert. Aber auch jeder Einzelne kann mit einer Spende helfen.

KNA: Und die Konfliktparteien in Pakistan? Nach wie vor sind ja Menschen innerhalb der Kampfgebiete eingeschlossen.
Schwarz: Wir können nur immer weiter an die am Konflikt Beteiligten appellieren, für einige Stunden die Waffen schweigen zu lassen, damit die Menschen das Gebiet verlassen können. Es gilt, zumindest für einen Moment Humanität walten zu lassen. Überhaupt steht das Militärische im Vergleich zum Humanitären zu sehr im Vordergrund - auch in der medialen Berichterstattung. Dabei ist das Ausmaß der humanitären Katastrophe kaum vorstellbar.