An Silvester läuft die Übergangsphase im Brexit aus

Bye-bye Britain

Seit dem Referendum im Juni 2016 verabschiedet sich Großbritannien nach und nach von Europa. Jetzt ist erst mal endgültig Schluss. Zu diesem Anlass ein Rückblick auf die mal intensiven, mal lockeren Beziehungen.

Autor/in:
Christiane Laudage
Vor dem Brexit: Bleibt niemand im Regen stehen? / © Sven Hansche (shutterstock)
Vor dem Brexit: Bleibt niemand im Regen stehen? / © Sven Hansche ( shutterstock )

Nebel im Kanal, der Kontinent ist abgeschnitten - so soll einmal die Schlagzeile einer Tageszeitung auf der Insel gelautet haben. Wahlweise soll diese Bemerkung auch ein regelmäßiger Bestandteil der Wettervorhersage in den 1930er Jahren gewesen sein.

Blick auf die Beziehungen

Wahrheit oder Legende? Jedenfalls sagt sie viel über die Beziehungen der Engländer zum Kontinent aus. Rund 400 Jahre gehörten England und Wales als Provinz Britannien zum Römischen Reich. Die Grenze im Norden markierte der Hadrianswall, nahe der heutigen Grenze zwischen England und Schottland.

In diesen vier Jahrhunderten brachten Schiffe Waren und Menschen aus allen Ecken des Reiches in die Provinz. Die Hauptstadt Londinium war ethnisch divers, denn ihre Bewohner kamen auch aus dem ganzen Römischen Reich, aus dem Nahen Osten, Syrien, Nordafrika oder dem östlichen Mittelmeergebiet. In anderen Städten sah es nicht viel anders aus. Diese frühen Migrationsbewegungen haben ein Gesicht - oder besser zwei: das der "Beachy Head Lady" oder der "Ivory Bangle Lady". Untersuchungen ihrer Skelette weisen sie als frühe schwarze Bewohnerinnen der römischen Provinz aus.

Die Römer verließen um 410 die Insel; rund 200 Jahre später kam wieder ein Römer - mit ebenso weitreichenden Folgen. Papst Gregor der Große schickte einen römischen Mönch in die frühere Provinz. Augustinus, auch bekannt als Apostel der Angelsachsen, wurde der erste Erzbischof von Canterbury.

Die Ausstellung "Anglo-Saxon Kingdoms - Art, Word, War" in der British Library führte den Briten 2019, als der EU-Ausstieg mit intensiven Emotionen diskutiert wurde, deutlich vor Augen, wie stark die Verbindung zum Kontinent selbst in vermeintlich dunklen Zeiten war. Der kulturelle Transfer ging in beide Richtungen. Insbesondere Klöster etablierten sich als Zentren der Wissenschaft und Kultur. Sie pflegten engen Kontakt zum Papst, aber auch zu Klöstern auf dem Kontinent.

Reformation der erste "Brexit"?

1066 kamen die Normannen: das bis heute das letzte Mal, dass England erobert wurde. Das Land wurde eng an den Kontinent gebunden; dank einer erfolgreichen Heiratspolitik über die Grenzen hinweg erstreckte sich im 12. Jahrhundert das Königreich in seiner größten Ausprägung über ganz Westfrankreich bis an die spanische Grenze. Sprache, Kultur, Verwaltung und Recht wurden maßgeblich durch die Eroberer beeinflusst.

War die Reformation in England der erste Brexit? Die Bemühungen König Heinrichs VIII., vom Papst in Rom die Erlaubnis zur Annullierung seiner ersten Ehe zu erhalten, gestalteten sich ähnlich schwierig wie die Brexit-Verhandlungen um einen geordneten Ausstieg. Als es nicht voranging, kappte Heinrich die Beziehungen zum Papst und ernannte sich kurzerhand selbst zum Oberhaupt der Kirche in England.

123 Jahre, von 1714 bis 1837, kamen die Royals aus Hannover; denn der Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg bzw. später der König von Hannover regierte gleichzeitig als König von Großbritannien. Die Personalunion endete, als Queen Victoria 1837 den Thron bestieg. In Hannover galt ausschließlich die männliche Erbfolge.

Victoria interessierte sich in erster Linie für England und ihr Empire. Aber sie liebte auch Deutschland und reiste mehrfach zu Verwandtenbesuchen in das Land ihres Ehemanns Albert aus dem Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha. Nicht umsonst nannte man sie die Großmutter Europas - denn Queen Victoria verheiratete ihre 9 Kinder und 42 Enkelkinder in den protestantischen Hochadel des Kontinents.

Dass im Ersten Weltkrieg Cousins gegeneinander Krieg führten, lag unter anderem an ihrer Heiratspolitik.

Zwei Weltkriege führten zu einem intensiven Engagement Englands auf dem Kontinent. Nach 1945 wollte Großbritannien Teil der europäischen Gemeinschaft werden, scheiterte aber zweimal am definitiven "Non" von Frankreichs Charles de Gaulle. Erst von 1973 an bis 1992 gehörte Großbritannien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), dann der EU an - ein nicht spannungsfreies Verhältnis.

Die Briten liebten die EU weniger als Europa. Zeitweise kauften sich viele Engländer ein Ferienhaus in der Dordogne, sodass die Gegend auch spöttisch Dordogneshire genannt wird. Zur großen Freude der Billigflieger pendelten Briten von dort aus zum Arbeiten nach England. Andere ließen sich in Spanien nieder, wo das Wetter für ein angenehmes Leben sorgte. Als sie realisierten, welche Folgen der Brexit für sie hatte, gab es Heulen und Zähneklappern - obwohl wohl viele von ihnen für den EU-Ausstieg gestimmt hatten. Jetzt heißt es erst mal Bye-bye, Britain - doch nicht wenige hoffen wohl auf ein Wiedersehen.


Quelle:
KNA