Waldbrände haben im Mittelmeerraum in diesem Sommer verheerende Schäden mit dramatischen Folgen angerichtet.
Ganz anders am See Genezareth in Israel, wo ein Feuer in einem üppig überwucherten Brachland kaum Verlust und Leid, dafür aber interessante archäologische Erkenntnisse zutage gefördert hat.
Spannendes Rätsel der Region
Der Brand in der Ausgrabungsstätte von el-Aradsch am Einfluss des Jordans in den See hat eine wilde Vegetation und viel Gestrüpp abgeräumt, ein Gelände freigelegt und damit eines der spannendsten Rätsel der Region befeuert: Wo liegt der in der Bibel mehrfach erwähnte Fischerort Bethsaida? Dieser gilt als Heimat der Apostel Petrus, Andreas und Philippus; nach biblischer Überlieferung berief Jesus dort seine ersten Jünger, vollzog eine Brotvermehrung und heilte einen Blinden.
Ab 2014 hatte der israelische Archäologe Mordechai Aviam vom Kinneret College bei el-Aradsch am nördlichen Seeufer frühere Grabungen wiederaufgenommen. Er stieß dabei auf Reste eines römisches Badehauses mit einem Komfort, der nicht zu einem schlichten Fischerdorf passte, sondern auf eine gehobene städtische Kultur hindeutete.
Zudem fand er eine Silbermünze des römischen Kaisers Nero (54-68). Aviam brachte seine Ausgrabung in Verbindung mit der Schilderung des jüdisch-römischen Schriftstellers Flavius Josephus, wonach Herodes Philippos (4 v. Chr.-34 n. Chr.), Sohn des großen König Herodes, das Dorf Bethsaida zur Stadt ausbaute und es schmeichlerisch in "Julias" umbenannte, nach Julia Augusta, der Gattin von Kaiser Augustus und Mutter von Tiberias.
Zwei Orte erheben Ansprüche
Aviams Grabungsbericht fand internationale Resonanz. Nur war das seit der Antike verschollene Bethsaida schon einmal entdeckt worden. 1987 hatte der Südtiroler Benediktiner-Archäologe Bargil Pixner bei Et-Tell gut zwei Kilometer nordöstlich im Bereich der Jordan-Nationalparks ebenfalls Bethsaida ausgegraben.
Im Hof eines "Fischerhauses" fand er alles mögliche Fischergerät und stieß auf eine imposante Zyklopenmauer aus der biblischen Königszeit. Nach elfjährigen Grabungen insbesondere durch die University of Nebraska wurde dieses Bethsaida 1998 feierlich unter Beteiligung des israelischen Tourismus-Ministeriums eröffnet.
Dass dieser Fischerort weitab vom See lag, erklärten die Forscher damit, dass eine Lagune den Schiffsverkehr bis hierher möglich gemacht habe.
Keine Reste und Hinweise auf eine Kirche
Freilich favorisierte die Archäologie bald die Fundstätte von el-Aradsch. Aber auch hier gab es ein Hindernis. Aviam und seine Crew fanden zunächst keine Reste und Hinweise auf eine Kirche.
Dabei war in mittelalterlichen Reiseberichten wie etwa dem des Bischofs Willibald von Eichstätt aus dem Jahre 725 von einer Kirche in Bethsaida die Rede, die er über dem Haus der Apostel Petrus und Andreas besucht habe.
Eine Lösung zeichnete sich ab, als die Archäologen in el-Aradsch Wände und Böden mit vergoldeten Glasmosaiken aus dem 5. Jahrhundert fanden - ein Hinweis auf eine wohlhabende und bedeutende Kirche.
Den endgültigen Durchbruch sahen die Forscher, als hier zwei griechische Inschriften entdeckt wurden, die die Kirche dem "Oberhaupt und Anführer der himmlischen Boten" und dem "Hüter der Schlüssel" widmeten - zwei Begriffe, die mit dem Apostel Petrus in Verbindung stehen.
Zusätzliche Gewissheit
Der Sommerbrand von el-Aradsch hat - anders als israelische Medien zunächst glauben machen wollten - keine neuen archäologischen Sensationen gebracht, betonen Kirchenhistoriker und Landeskenner.
Allerdings biete sich nun ein weiter Überblick über das Ausgrabungsgelände, das zuvor teilweise unter Bäumen und Büschen verdeckt und versteckt war. Und es werde deutlich, dass es sich hier nicht um ein kleines verschlafenes Fischerdorf, sondern um eine große Polis, also eine eigenständige Stadt, gehandelt habe.
Das bestätige aufgrund der bereits gemachten Kirchenfunde einmal mehr die These, dass die Archäologen hier Bethsaida/Julias gefunden haben.
Abzuwarten bleibt, ob der neue Blick auf das vermutlich "echte" Bethsaida auch Besucherströme hierher lenkt - wenn nach Kriegsende der Heilig-Land-Tourismus wieder einsetzt.
Denn während andere christliche Gedenkorte in der Region wie Kapernaum, die Brotvermehrungsstätte im von deutschen Benediktinern geleiteten Kloster Tabgha und der Berg der Seligpreisungen zum festen Programm von Touristen und Pilgern gehörten und jährlich von Zigtausenden Menschen aufgesucht werden, haben bislang nur wenige Besucher den Weg über die holperige Piste bis nach el-Aradsch gesucht und gefunden.