Bundesverfassungsgericht verhandelt über Lissabon-Vertrag

"Grundgesetz geschwächt"

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich am Dienstag mit mehreren Verfassungsklagen gegen den EU-Reformvertrag von Lissabon befasst. Die Beschwerdeführer rügten, dass der Vertrag das Grundgesetz schwäche und das Demokratiedefizit in der Europäischen Union verschärfe. Bei der Anhörung, die am Mittwoch fortgesetzt wird, geht es darum, ob die Neufassung des EU-Vertrags mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

 (DR)

Unter anderem hat die Bundestagsfraktion der Linken geklagt. Deren Chef Oskar Lafontaine kritisierte, dass der Vertrag das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes infrage stelle. Ferner sei die demokratische Legitimation des Vertrages nicht ausreichend beachtet worden.

Nach Auffassung der Bundesregierung dagegen stärkt der Vertrag die demokratischen Grundlagen der EU und sichert deren Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten und der Union werde eindeutig festgelegt, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die Zusammenarbeit bei der Innen- und Justizpolitik werde gestärkt, ebenso wie die Außenbeziehungen. Durch die künftig rechtsverbindliche Grundrechtecharta würden zudem die Grundrechte erheblich gestärkt, so Steinmeier.

Nach den Worten von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) beeinträchtigt der Vertrag nicht die staatliche Souveränität und ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Mitwirkung der nationalen Parlamente werde gestärkt. Die vertraglichen Bindungen seien freiwillig und umkehrbar, so Schäuble. Deutschland habe "jederzeit die Freiheit, aus der EU wieder auszutreten".

Die Kläger
Zu den Beschwerdeführern gehört auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler. Der "unverständliche" Vertrag sei auf Intransparenz angelegt, erklärte Gauweilers Prozessbevollmächtigter Dietrich Murswiek. Der Einfluss des Bundestages auf die EU werde geschmälert, das Demokratiedefizit der EU vergrößert. Weitere Kläger sind der ÖDP-Vorsitzende Klaus Buchner und der CSU-Politiker Franz Ludwig von Stauffenberg.

Ziel des Lissabon-Vertrags ist es, die Europäische Union demokratischer, transparenter und handlungsfähiger zu machen. Er muss in allen 27 EU-Staaten ratifiziert werden. Deutschland gehört neben Irland, Polen und Tschechien zu den vier EU-Staaten, die den Lissabon-Vertrag nach wie vor nicht endgültig angenommen haben.

Zwar ist der Vertrag von Bundestag und Bundesrat ratifiziert und Bundespräsident Horst Köhler inhaltlich gebilligt worden, wurde jedoch wegen der Verfassungsklagen noch nicht unterzeichnet. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird erst in einigen Monaten erwartet.