Bundestag erlaubt die Präimplantationsdiagnostik

Begrenzte Zulassung

Die umstrittene Präimplantationsdiagnostik wird in Deutschland per Gesetz zugelassen. Nach einer vierstündigen Debatte entschied eine deutliche Mehrheit von 326 Parlamentariern für eine begrenzte Zulassung. Bei Kirchen und Behindertenverbänden stieß die Entscheidung auf Kritik.

 (DR)

Der von Ulrike Flach (FDP) und Peter Hintze (CDU) mitformulierte Entwurf war die weitestgehende Regelung. 260 Abgeordnete stimmten für ein PID-Verbot. Die PID ist umstritten, weil die Embryonen auf genetische Schäden untersucht und gegebenenfalls vernichtet werden.

Dem Plenum lagen drei Gesetzentwürfe vor.



"Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit"

Künftig ist die PID damit in Fällen zulässig, "in denen ein oder beide Elternteile die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist". Hierüber sollen Ethikkommissionen entscheiden. Die Befürworter der PID verwiesen auf das Leid erblich vorbelasteter Eltern und nahmen für sich eine "Ethik des Heilens" in Anspruch.



PID-Gegner warnen vor "Selektion"

Die Befürworter eines PID-Verbots um die Abgeordneten Johannes Singhammer (CSU) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) warnten vor einer "Selektion". Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) kritisierte eine "grundsätzliche Umwertung" dessen, was bisher im Bundestag allgemeiner Bestand war: Dass niemandem wegen seiner genetischen Disposition das Leben abgesprochen werde.



Viele Abgeordnete nahmen Bezug auf persönliche Erfahrungen, auch von eigenen Tot- oder Fehlgeburten oder spät erfüllten Kinderwünschen.



Bundesministerin von der Leyen warb für die PID

Flach sagte, die PID könne Betroffenen "die Entscheidung für ein Kind erleichtern". Es handele sich nur um wenige hundert Fälle pro Jahr. Auch Bundesministerin Ursula von der Leyen (CDU) warb für die PID unter Verweis auf betroffene Paare. Auf ihnen laste auch die Verantwortung vor Gott, vor dem ungeborenen Leben und den eigenen Kindern. Ihrer Gewissensentscheidung müsse Raum gegeben werden.



Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) betonte demgegenüber als Verbotsbefürworter: "PID verhindert in einzelnen Fällen Leid, aber sie verhindert in jedem Fall das Lebensrecht von gezeugtem menschlichen Leben". Die PID ermögliche Selektion, also eine "Qualitätsüberprüfung menschlichen Lebens".



Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte in Berlin, die Ärzteschaft sei jetzt in der Verantwortung, damit das Verfahren unter kontrollierten Bedingungen und nur bei fachkundiger Beratung angewendet werde. "Wir wollen auf keinen Fall, dass die PID ein Routineverfahren wird", sagte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery. "Mit uns wird es kein Designerbaby geben und auch kein sogenanntes Retterbaby, das nur einem erkrankten Kind als Ersatzteillager dienen soll." Die Ärzte seien auch gegen einen Katalog bestimmter Krankheiten. Vielmehr sollten den Kommissionen bei den Ärztekammern die Behandlungsfälle in anonymisierter Form vorab zur Beurteilung vorgelegt werden.



Bischöfe bedauern die Entscheidung zur PID zutiefst

Die beiden Kirchen übten deutliche Kritik am Bundestagsbeschluss. Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte, die Selektion von menschlichen Embryonen verstoße gegen "das Achtungsgebot der Menschenwürde, die jedem Menschen von Anbeginn zuteil ist". Der Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte, die Kirche dränge jetzt darauf, die Ausnahmefälle, in denen die PID nicht rechtswidrig sei, "eng zu umgrenzen, um die willkürliche Anwendung und die Gefahr einer immer weiteren Ausdehnung der Anwendungsfälle auszuschließen".



Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, erklärte, das Gesetz sei zu weitgehend. Er hätte eine Zulassung der PID nur für den Ausnahmefall einer mit großer Wahrscheinlichkeit drohenden Tot- oder Fehlgeburt vorgezogen, sagte er.



Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sprach von einem "gefährlichen und falschen Weg". Die Entscheidung des Parlaments bedeute einen "Bruch mit einem bewährten gesellschaftlichen Konsens", sagte ZdK-Präsiden Alois Glück. Die Gesellschaft werde einen hohen Preis dafür zahlen. Künftig werde es erlaubt sein, "Embryonen allein auf der Grundlage ihrer genetischen Eigenschaften zu töten". Wichtig sei es deshalb nun, weiter für die Würde und das Recht jedes Menschenlebens einzustehen. Dazu gehöre insbesondere die Unterstützung von Menschen mit Behinderung.